Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

$ 130. Die Verwaltung ohne Etatsgesetz. 551 
laufenen Wirtschaftsperiode für einen Monat erstreckte'). Eine wirk- 
liche Regelung der Reichsfinanzwirtschaft für den betreffenden Monat 
wird dadurch weder bezweckt noch erreicht. Die Erstreckung erfolgt 
»bis zur gesetzlichen Feststellung des Reichshaushaltsetats für das 
Etatsjahr ... und vorbehaltlich der Aenderungen, welche durch diese 
Feststellung sich ergeben« ; die fortdauernden Ausgaben werden zwar 
bei den einzelnen Kapiteln und Titeln auf ein Zwölftel der Ansätze 
des prolongierten Jahresetats bemessen, es wird aber außerdem die 
Zahlung derjenigen Mehrbeträge gestattet, welche zur Erfüllung der 
auf einen längeren Zeitraum im voraus fälligen Verbindlichkeiten er- 
forderlich sind; für die einmaligen Ausgaben wird ebenfalls ein Zwölftel 
der im prolongierten Etat ausgeworfenen Beträge festgesetzt, sofern sie 
für dieselben Zwecke, für welche die letzteren bewilligt waren, bestimmt 
sind, und mit Ausnahme derjenigen Ausgaben, zu welchen die für das 
neue Etatsjahr erforderlichen Mittel im Wege des Kredits zu beschaf- 
fen sein würden. Hinsichtlich der Einnahmen enthalten die Gesetze 
keinerlei Bestimmung, als die Anordnung, daß; die Bundesstaaten die 
Matrikularbeiträge bis zum zwölften Teil der durch den prolongierten 
Etat festgestellten Summen einzuzahlen haben. Auch sind die Ein- 
nahmen und Ausgaben für den Monat April bei den einzelnen Kapi- 
teln und Titeln auf die Einnahmen und Ausgaben des zu erwartenden 
Haushaltsetats zu verrechnen. Seit 1912 hat man die Gesetze über 
die vorläufige Regelung des Reichshaushalts mit einem reicheren In- 
halt ausgestattet?); sie enthalten die zur Fortführung einer geordneten 
Verwaltung erforderlichen Ermächtigungen und füllen die Lücke aus, 
welche die Reichsverfassung für den Fall, daß das Reichsetatsgesetz 
nicht rechtzeitig zustande kommt, gelassen hat. Auch sie stehen aber nicht 
im Einklang mit der Vorschrift des Art. 69 der Reichsverfassung, daß 
yalleEinnahmen und Ausgaben für jedes Jahr veran- 
schlagt werden«?°). 
1) Reichsgesetz vom 26. März 1877, betreffend die vorläufige Erstreckung des 
Haushaltsetats des Deutschen Reiches für das Vierteljahr vom 1. Januar 1877 bis 
31. März 1877 auf den Monat April 1877 (Reichsgesetzbl. S. 407) und Reichsgesetz 
vom 30. März 1878, betreffend die vorläufige Erstreckung des Haushaltsetats des 
Deutschen Reiches für das Etatsjahr 1877/78 auf den Monat April 1878 (Reichsgesetzbl. 
S. 9). Reichsgesetz vom 25. März 1904 (Reichsgesetzbl. S. 145); vom 31. März 1906 
(Reichsgesetzbl. S. 448); vom 25. März 1907 (Reichsgesetzbl. S. 83). 
2) Reichsgesetz vom 31. März 1912 (Reichsgesetzbl. S. 219). Reichsgesetz vom 
17. März 1913 (Reichsgesetzbl. S. 137). Reichsgesetz vom 26. März 1914 (Reichsgesetzbl. 
S. 65). Uebereinstimmend die Gesetze zur vorläufigen Regelung des Haushalts der 
Schutzgebiete seit 1912. Diese Gesetze ermächtigen den Reichskanzler zur Leistung 
derjenigen Ausgaben, denen der Reichstag bei der zweiten Lesung des Etatsgesetz- 
entwurfs bereits zugestimmt hat. 
3) Wenn man mit dem Art. 69 der Reichsverfassung Monats- oder Vierteljahres- 
etats für verträglich hält, so ist nicht recht einzusehen, warum nicht auch Etats für 
Finanzperioden von zwei oder mehreren Jahren damit vereinbar sein sollen. Ver- 
fassungsgemäß sind allein Jahresetats.
	        
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