560 $ 131. Die Rechnungskontrolle und Entlastung der Verwaltung.
für die Jahre 1867—1869 der preußischen Oberrechnungskammer zu
übertragen und das preußische Recht über die Revision der Rechnun-
gen in complexu auf die Bundesverwaltung für anwendbar zu erklären.
Diese Bestimmungen sind dann von Jahr zu Jahr auf die Verwaltungs-
rechnungen durch besondere Bundesgesetze erstreckt worden.
Mit der weiteren Ausbildung der Bundesverwaltung und der räum-
lichen und sachlichen Erweiterung, welche dieselbe infolge der Reichs-
gründung erfahren hat, machte sich das Bedürfnis nach einer selb-
ständigen reichsgesetzlichen Regelung der Rechnungskontrolle in verstärk-
tem Maße geltend. Auch ist in Preußen das durch Art. 104 der Ver-
fassungsurkunde in Aussicht gestellte Gesetz am 27. März 1872 erlassen
worden !) und dadurch die Grundlage für ein entsprechendes Reichs-
gesetz hergestellt worden. Der Reichskanzler legte daher dem Reichs-
tage bereits im Jahre 1872 einen den Anordnungen des preußischen
Gesetzes sich eng anschließenden Gesetzentwurf, betreffend die Ein-
richtung und die Befugnisse des Rechnungshofes, vor; allein eine
Uebereinstimmung zwischen dem Bundesrat und dem Reichstag war
über denselben nicht zu erreichen?) und ebenso wenig glückte es in
den folgenden Sitzungsperioden, in welchen der Gesetzentwurf wieder-
holt eingebracht wurde, zu diesem Ziele zu gelangen °). Infolgedessen
mußte man sich damit begnügen, das im Jahre 1868 eingeschlagene
Verfahren beizubehalten, d. h. von Jahr zu Jahr durch besondere Ge-
setze die Rechnungskontrolle des Reichshaushalts der preußischen
Oberrechnungskammer unter der Benennung »Rechnungshof des Deut-
schen Reiches« zu übertragen. Nur sind seit dem Jahre 1875) an die
Stelle der im Gesetz vom 4. Juni 1868 aufgeführten Vorschriften die
nunmehr in Preußen geltenden Bestimmungen, insbesondere diejenigen
des erwähnten Gesetzes vom 27. März 1872, getreten’).
1) Preußische Gesetzsammlung 1872, S.278 ff. Vgl. hierzu den Bericht der Kom-
mission des Abgeordnetenhauses in den Drucksachen desselben von 1871/72, Nr. 148.
2) Ueber die Differenzpunkte, an denen das Zustandekommen des Gesetzes
scheiterte, vgl. Hirths Annalen 1874, S. 214 ff. und besonders Zeitschrift für die ge-
samte Staatswissenschaft Bd. 33 (1877), S. 23 ff.
3) Siehe oben S. 536, Note *. Im folgenden wird der Reichsgesetzentwurf so,
wie er im Jahre 1877 dem Reichstage mit Motiven vorgelegt worden ist (Drucksachen
1877, Nr. 16), zitiert.
4) Gesetz vom 11. Februar 1875 (Reichsgesetzbl. S. 61) betreffend die Kontrolle
des Reichshaushalts und des Landeshaushalts von Elsaß-Lothringen für das Jahr 1874.
5) Das preußische Gesetz vom 27. März 1872 enthält keine vollständige Regelung
der Finanzkontrolle und hat die früheren Gesetze und Verordnungen nur insoweit
außer Kraft gesetzt, als sie seinen Bestimmungen zuwiderlaufen. Das Gesetz be-
schränkt sich im wesentlichen darauf, die Einrichtung, den Geschäftsgang, die amt-
lichen Obliegenheiten und Befugnisse der Oberrechnungskammer zu bestimmen; über
die materiellen Grundsätze für die Finanzverwaltung (auch „materielles Etats-
recht“ genannt), welche zugleich materielle Grundsätze für die Finanzkontrolle sind,
enthält das Gesetz nur wenige, durch die Einführung der konstitutionellen Staats-
form erforderlich gewordene Vorschriften. Diese Regeln sind vielmehr enthalten in