'$ 131. Die Rechnungskontrolle und Entlastung der Verwaltung. 561
Das Reichskontrollgesetz vom 21. März 1910, $ 2 (Reichsgesetzbl.
S. 521) hat dies ausdrücklich angeordnet und dadurch die bisherige
Praxis legalisiert. Falls in einem Jahre aus irgendwelchem Grunde die
gesetzliche Prolongation der bisherigen Einrichtung nicht erfolgen sollte,
so würde eine wirkliche Gesetzgebungslücke entstehen; es gäbe keine
Gesetzesvorschriften darüber, in welcher Art die durch Art. 72 der
Reichsverfassung begründete Pflicht des Reichskanzlers zur Rechnungs-
legung erfüllt werden sollte. Die hier folgende Darstellung muß sich
natürlich darauf beschränken, den Rechtszusiand, wie er seit dem
Jahre 1875 von Jahr zu Jahr fortgeführt worden ist und tatsächlich
besteht, zu erörtern. Das Reichskontrollgesetz $1 hat dem Rechnungs-
hof die Rechnungskontrolle für die Rechnungsjahre 1909 bis 1914 über-
tragen; durch solche mehrjährige Perioden wird der Reichstag von
der alljährlichen Wiederholung der inhaltlich gleichen Gesetze ent-
lastet; es ist wahrscheinlich, daß auch in Zukunft fünfjährige Perioden
beibehalten werden.
II. Der »Rechnungshof des Deutschen Reiches« ist eine mit der
preußischen Oberrechnungskammer vereinigte, aber lediglich für die
Zwecke der Reichsverwaltung bestimmte und auf Reichskosten unter-
haltene Behörde, welche ihre Sitzungen getrennt von denjenigen der
preußischen Oberrechnungskammer hält und an deren Spitze ein be-
sonderer Direktor steht, der dienstlich dem Präsidenten der Ober-
rechnungskammer unterstellt ist). Die Organisation, der staatsrecht-
liche Charakter und der Wirkungskreis dieser Behörde sind bereits
oben Bd. 1, S. 408 ff. dargestellt worden.
III. Was den Umfang der dem Rechnungshofe obliegenden Kon-
trolle anlangt’’), so erstreckt sich diese
1. auf die Revision aller derjenigen Rechnungen, durch welche die
Ausführung des festgestellten Reichshaushaltsetats und der sämtlichen
Etats und sonstigen Unterlagen, auf welchen derselbe beruht, dargetan
wird, ingleichen der Rechnungen derjenigen Anstalten, Stiftungen und
der, in der preußischen Gesetzsammlung nicht verkündeten „Instruktion für
die Oberrechnungskammer vom 18 Dezember 1824“, welche im wesent-
lichen noch gegenwärtig in Geltung steht. Bearbeitungen derselben mit Angabe der
zu ihrer Ergänzung, Erläuterung usw. ergangenen Vorschriften finden sich in den
zitierten Werken von Meißner, Herrfurth und Hertel. Mit dieser Instruk-
tion, die ihrem Inhalte nach sich zum großen Teil als ein Gesetz im materiellen
Sinne des Wortes charakterisiert, ist nicht zu verwechseln die lediglich den inneren
Geschäftsgang betreffende Instruktion des Reichskanzlers für den Rechnungshof des
Deutschen Reiches vom 5. März 1875 (Bd. 1, S. 409). In Preußen ist das materielle
Etatsrecht jetzt durch das S. 528 Note 2 erwähnte Gesetz geregelt.
1) Ueber das amtliche Verhältnis des Direktors zum Präsidenten und zu den
Mitgliedern, sowie über seine amtlichen Befugnisse und Obliegenheiten vgl. die In-
struktion vom 5. März 1875, $ 6 u. 23 ff.
2) Das erwähnte Kontrollgesetz enthält Vereinfachungen und Erleichterungen
der dem Rechnungshof obliegenden Prüfung, die zum Teil der bisherigen Praxis
entsprechen.