576 $ 181. Die Rechnungskontrolle und Entlastung der Verwaltung.
stellung des Budgets wäre zum größten Teile wertlos und unwirksam,
wenn ihm nicht ein Anteil an der Abnahme der Rechnung über die
vollführte Reichsfinanzwirtschaft entspräche. Der Art. 72 der Reichs-
verfassung verpflichtet demgemäß den Reichskanzler, »über die Ver-
wendung aller Einnahmen des Reiches dem Bundesrate und dem
Reichstage zur Entlastung jährlich Rechnung zu legen« !).
Der Reichstag ist nicht in der Lage, die ihm vorgelegte Rechnung
über den Reichshaushalt selbständig einer in die Einzelheiten gehen-
den Revision zu unterziehen; es wäre dies eine Wiederholung der
vom Rechnungshofe bereits vorgenommenen Arbeit und würde die
Frrichtung eines zweiten, parlamentarischen Rechnungshofes erforder-
lich machen. Vielmehr sollen die vom Rechnungshofe geleisteten Re-
visionsarbeiten und die infolge derselben von ihm erhobenen Bemer-
kungen dem Reichstage nutzbar gemacht werden und seiner Beschluß-
fassung über Erteilung oder Versagung der Entlastung zur Grundlage
dienen. Demgemäß sind nebst der allgemeinen Rechnung über den
Jahreshaushalt des Reiches die Bemerkungen des Rechnungshofes,
welche derselbe unter selbständiger, unbedingter Verantwortlichkeit
aufzustellen hat, dem Reichstage mitvorzulegen. Diese Bemerkungen
haben sich auf alle drei Richtungen zu erstrecken, in denen dem Rech-
nungshofe die Kontrolle obliegt: auf die kalkulatorische Ueberein-
stimmung der allgemeinen Rechnung mit den vom Rechnungshofe
revidierten Kassenrechnungen; auf die etwaigen Abweichungen der
Verwaltungsbehörden in Finanzsachen von gesetzlichen Vorschriften °)
und auf die Abweichungen der tatsächlich erfolgten Einnahmen und
Ausgaben von den Ansätzen und Bewilligungen des Budgets, insbe-
sondere zu welchen Etatsüberschreitungen?) und außeretatsmäßigen
Ausgaben die Genehmigung .des Reichstages noch nicht beigebracht
ist %). Der Rechnungshof hat diesen Bemerkungen eine Denkschrift
beizufügen, welche die hauptsächlichsten Ergebnisse der von ihm vor-
genommenen Prüfung übersichtlich zusammenfaßt.
Bundesrat und Reichstag erteilen die Decharge jeder besonders.
Weder der Bundesrat noch der Reichstag dürfen dem Reichskanzler
die Erteilung der Decharge verweigern, wenn sie begründete Ausstel-
lungen an der ihnen gelegten Rechnung nicht zu erheben vermögen.
Denn es ist ein der Pflicht zur Rechnungslegung entsprechendes Recht
jedes Verwalters fremder Gelder, daß, wenn er ordnungsmäßig die
Rechnung abgelegt hat, ihm die Entlastung nicht vorenthalten werden
darf. Die Rechtswirkungen der erteilten Decharge sind in privatrecht-
1) Eine Ergänzung dieser Rechnungslegung bilden die Bd. 1, S. 305 fg. erörterten
Berichte finanziellen Inhalts.
2) „Von den Bestimmungen der auf die Einnahmen und Ausgaben oder auf die
Erwerbung, Benutzung oder Veräußerung von Reichseigentum bezüglichen Gesetze“.
3) Siehe oben S. 539 über den Begriff der Etatsüberschreitungen.
4) Preuß. Gesetz 8 18.