Anhang. Die neuere deutsche Literatur über das Budgetrecht. 583
Existenz des Staates in Einklang gebracht werden kann, sondern er
schließt (S. 304) mit der Konstatierung der Unmöglichkeit der Lösung
eines derartigen Falles nach Rechtsregeln. Der Ausgang eines Kon-
flikts zwischen der Regierung und der Volksvertretung sei davon ab-
hängig, auf welcher Seite die größere Macht und die Gunst der
politischen Verhältnisse ist'). Diese Ansicht ist auch sonst weit
verbreitet. Der Zweck und die Bedeutung des Rechts besteht aber
gerade darin, die gegenseitigen Befugnisse zu bestimmen und vonein-
ander abzugrenzen, eine Entscheidungsnorm für den Fall des Streits
und der Kollision verschiedener Interessen zu geben und dadurch die
brutale Vergewaltigung des schwächeren Teils durch den mächtigeren
abzuwenden. Es gibt allerdings keine Sicherheit, daß das Recht auch
wirklich zur Geltung kommt und daß nicht Macht vor Recht geht;
wenn man aus diesem Grunde aber behauptet, daß es Rechtssätze zur
Lösung eines Konflikts zwischen Regierung und Volksvertreiung über-
haupt nicht gebe, so raubt man dem Verfassungsrecht gerade in den
Fällen seinen Wert, in welchen es seine Kraft bewähren soll ?).
Nicht wesentlich verschieden ist auch die Wendung, welche
O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I, S. 384.fg. der Budgettheorie
gibt. Er nennt das Budget »ein Zeugnis über die Angemessenheit
der zu leistenden Ausgaben, dessen die Regierung nach verfassungs-
rechtlicher Ordnung zu deren Rechtfertigung gegenüber der Volksver-
tretung bedarf«. Der Ausdruck »Zeugnis« ist vieldeutig und unbe-
stimmt.‘ Jedenfalls ist die Mitwirkung der Volksvertretung bei der
Feststellung des Staatshaushaltsetats mehr als ein Gutachten über
die Angemessenheit der Ausgaben. So ist es auch von O. Mayer nicht
gemeint. Er schreibt dem Zeugnis der Volksvertretung die rechtliche
»formelle Bedeutung« zu, »daß ohne solches Zeugnis die Regierung
überhaupt eine Ausgabe nicht machen darf; tut sie es doch, so
ist das schon um dieses Mangels willen verfassungsrechtlich ein Un-
recht gegenüber der Volksvertretung«. Hiernach entpuppt sich das
»Zeugnis« als die verfassungsmäßig notwendige Ermächtigung
der Regierung, Ausgaben zu leisten, ohne welche alle Ausgaben un-
recht sind. Ueberdies fällt bei dieser Charakterisierung des Etatsge-
setzes die ganze, die Einnahme betreffende Hälfte ins Leere; denn es
kann doch nicht die Ansicht Mayers sein, daß die Regierung auch
die gesetzlich begründeten Einnahmen ohne jenes »Zeugnis« nicht er-
heben darf.
IV.
Arndt im Archiv für öffentliches Recht Bd. 3, S. 533—568 3)
1) Jellinek hat seine Ausführungen in dem Artikel Budgetrecht im Hand-
wörterbuch der Staatswissenschaften Bd. 2, S. 1176 wiederholt.
2) Vgl. auch die sehr zutreffende Kritik von Zorn S. 373.
3) Seine Theorie ist auch in seiner Ausgabe der Preußischen Verfassungsurkunde