Anhang. Die neuere deutsche Literatur über das Budgetrecht. 587
eine unerhörte Frivolität, zu behaupten, der Rechts-
grund, aus dem der Staat seine Ausgaben leistet, seine Einnahmen
bezieht, sei ein jährlich zu vereinbarendes Gesetz.«
Nachdem er weiter in überaus einleuchtender Weise dargetan, daß
ein jährlicher Staatshaushaltsplan nicht die Kraft haben könne, »die
gesetzlichen Landeseinkünfte in Jahresrenten zu verwandeln und die
gesetzlichen Einrichtungen des Staates auf Jahresabonnement zu stellen«,
fährt er S. 100 ff. fort:
»Wohnt also dem Staatshaushaltsplan nicht die Macht inne, be-
stehende Gesetze oder Verträge aufzuheben, weder gänzlich noch
teilweise, weder für immer noch auf Zeit: so istes eine ju-
ristische Monstrosität, ihn Gesetz zu nennen.
Hieraus ergibt sich die so äußerst einfache und einleuchtende
Tatsache, daß die Aufstellung des Staatshaushaltsplanes über-
hauptnichtin das Gebiet der gesetzgebenden Ge-
walt fällt. Sie ist vor allem und zunächst eine Maßregel der
Vollziehung und zwar in specie eine Verwaltungshandlung.«
In diesen Sätzen, in denen das Wesen des Etats richtig und tref-
fend gewürdigt wird, weht ein so genialer Hauch und bekundet sich
eine so sehr die Wahrheit erfassende Intuition, daß man dafür gern
manche Uebertreibung des Ausdrucks dem jugendlichen Feuereifer zu-
gute rechnet. Wenn v. Martitz in diesen Erörterungen so heftig
dagegen protestiert, daß der Etat in irgend einem Staate, sei es Preu-
Ben, sei es Belgien oder England, »ein Gesetz« sein könne oder
jemals gewesen sei, so versteht er natürlich das Wort »Gesetz«
im materiellen Sinne; denn daß der Etat in diesen und vielen anderen
Staaten alljährlich in der Form des Gesetzes festgestellt wird, war
ihm ja selbstverständlich bekannt. Auch die Erkenntnis von dem
Gegensatz des materiellen Gesetzes und der Gesetzesform liegt daher
bereits in seinen Ausführungen, wenngleich sie nicht zum klaren Be-
wußtsein gekommen ist.
In der Abhandlung über den konstitutionellen Begriff des Gesetzes
dagegen hat er den materiellen Begriff des Gesetzes gänzlich aufgege-
ben. Gesetz ist ihm jetzt alles, was in Gesetzesform ausgeprägt ist;
indem er gegen den Begriff des formellen Gesetzes polemisiert, wirft
er den Begriff des materiellen Gesetzes über Bord. Die spezifische
Eigentümlichkeit des Gesetzes findet er in der »Unverbrüchlichkeit«.
Da nun aber auch Verordnungen, Verfügungen, rechtskräftige Urteile,
ja selbst Verträge und andere Rechtsgeschäfte »unverbrüchlich« sind,
so ist die spezifische Unverbrüchlichkeit des Gesetzes nichts anderes
als die formelle Gesetzeskraft, d. h. der Satz, daß das, was im Wege
der Gesetzgebung festgestellt worden ist, auch nur im Wege der Gesetz-
gebung abgeändert werden kann. So sagt er S. 238: »Formelle Ge-
setzeskraft ist nichts anderes als eben Gesetzeskraft. Sie kommt mit
der materiellen ganz auf das nämliche heraus. Es gibt überhaupt nur