Nachträge. I. Das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913. 611
werden kann, so sind diese Personen vom Erwerbe der Reichs-
angehörigkeit vollkommen ausgeschlossen. Um diesem Uebelstande
abzuhelfen, hat das Reichsgesetz vom 15. März 1888 8 6, Abs. 1
(Schutzgebietsgesetz vom 25. Juli 1900 8 9) den Reichskanzler er-
mächtigt, Ausländern, welche in den Schutzgebieten sich niederlassen,
sowie Eingeborenen auf ihren Antrag die Naturalisation zu gewähren.
Dadurch wurde eine unmittelbare Reichsangehörigkeit geschaffen und
von dem im $1 des Gesetzes vom 1. Juni 1870 sanktionierten Grund-
prinzip. eine Ausnahme gemacht; das Staatsangehörigkeitsgesetz 8 33,
Ziff. 1 hat diese Bestimmung beibehalten und sie Ziff. 2 ausgedehnt auf
ehemalige Deutsche, welche sich nicht im Inland (also auch nicht in
einem Schutzgebiet) niedergelassen haben, und auf die von ihnen ab-
stammenden oder an Kindesstatt angenommenen Personen!). Die unter
Ziff. 2 aufgeführten Personen haben daher die Wahl, ob sie auf Grund
des 8 13 die Einbürgerung in ihrem Heimatstaat oder auf Grund des
833 die Verleihung der unmittelbaren Reichsangehörigkeit beantragen
wollen. Eine Pflicht, ihrem Antrage stattzugeben, besteht in keinem
der beiden Fälle. Auch ein im Reichsdienst angestellter Aus-
länder, welcher seinen dienstlichen Wohnsitz im Auslande hat, hat die
Wahl, ob er auf Grund des $ 15 die Einbürgerung in einem Bundes-
staat oder auf Grund des $ 34 die unmittelbare Reichsangehörigkeit
verlangen will. Seinem Antrage muß in beiden Fällen stattgegeben
werden.
Die unmittelbare Reichsangehörigkeit kann daher nurerworben
werden von Personen, welche ihren Wohnsitz nicht im Reichsgebiet
haben; dagegen dauert sie fort, wenn der Wohnsitz oder der
dauernde Aufenthalt in das Gebiet eines Bundesstaates verlegt wird;
die Staatsangehörigkeit in diesem Bundesstaate wird dadurch nicht
erworben; die unmittelbare Reichsangehörigkeit wird dadurch nicht in
eine mittelbare verwandelt. Ebensowenig tritt andererseits an die Stelle
der mittelbaren Reichsangehörigkeit durch Verlegung des Wohnsitzes
oder dauernden Aufenthaltes in das Ausland die unmittelbare; auch
die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit kann niemals für sich allein
die unmittelbare Reichsangehörigkeit zur Entstehung bringen. Dagegen
verwandelt sich die unmittelbare Reichsangehörigkeit in eine mittel-
bare durch den Erwerb der Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate;
in keinem Falle kann jemand die unmittelbare Reichsangehörigkeit
neben der mittelbaren haben. Die erste ist immer nur ein ausnahms-
weise zugelassener Ersatz der zweiten, welche die allgemeine, grund-
sätzliche Regel bildet. Es wird auch von der unmittelbaren Ein-
bürgerung wohl kein ausgedehnter Gebrauch gemacht werden, denn
es ist nicht zu wünschen, daß ein erheblicher Teil der deutschen Be-
1) LenelS.3.