60 8 99. Die Militärhoheitsrechte der Einzelstaaten.
sicht darauf, ob Angehörige des eigenen Staates oder eines anderen
Staates in demselben dienen und ob sie im eigenen Staatsgebiet oder
außerhalb desselben in Garnison stehen '). Diese Hoheitsrechte bilden
den Inhalt der Kontingentsherrlichkeit.
2. Rechte hinsichtlich der im eigenen Staatsgebiet dislozierten
Truppen, gleichviel ob die letzteren dem eigenen oder einem fremden
Kontingent angehören. Diese Hoheitsrechte sind territoriale und
bilden demnach einen Bestandteil der Gebietshoheit. Sie zer-
fallen wieder in zwei Gruppen: militärische Ehrenrechte und
das Recht, die Truppen zu polizeilichen Zwecken in Anspruch
zu nehnıen.
3. Rechte hinsichtlich der zum Militärdienst verpflichteten Staats-
angehörigen in betreff der Erfüllung der Wehrpflicht, mögen sie die-
selbe im eigenen oder in einem fremden Kontingent, oder im eigenen
Staatsgebiet oder in einem anderen Teil des Reichsgebietes leisten.
Diese Hoheitsrechte beruhen auf der persönlichen Herrschaft
über die Staatsangehörigen, welche die ältere Theorie als sogenannte
»Untertanenhoheit« der Gebietshoheit gegenüberstellte.
Diese drei Arten von Rechten der Landesherren werden in der
Reichsverfassung, den Reichsgesetzen und den Militärkonventionen
anerkannt und geregelt.
I. Die Kontingentsherrrlichkeit?).
Jeder Staat des Deutschen Reichs hat nach der Reichsver-
fassung »seine eigenen Truppen« oder sein Kontingent. Auch die
Militärkonventionen sprechen von Landestruppen und in völlig
gleicher Bedeutung von dem Kontingent des die Konvention abschlie-
Benden Staates °), oder sie erklären, daß der betreffende Staat von der
»Stellung eines selbständigen Kontingents« absieht ‘).
Die Truppenkörper sind daher nach der Reichsverfassung An-
stalten der Einzelstaaten, nicht des Reichs; als solche bil-
den sie einen Bestandteil der staatlichen Gesamtordnung der Ein-
zelstaaten und werden von dem Landesherrn, dem Träger der
Staatsgewalt, beherrscht. Die Einrichtung und Beherrschung dieser
Anstalten steht aber nicht in dem freien Belieben der einzelnen
Staaten, sondern ist, wie oben ausgeführt wurde, in allen Beziehungen
1) Diese Rechte haben z. B. die Könige von Bayern, Sachsen und Württemberg
auch an ihren in Elsaß-Lothringen stehenden Regimentern.
2) Vgl. darüber die gute Abhandlung von Gümbel, Bundesfeldherrenamt und
Militärhoheit. In Hirths Annalen 1899, S. 131ff. Burhenne, Die Kontingents-
herrlichkeit der d. Landesherren, Berl. 1908; Gordan in Hirths Annalen 1908,
S. 481 ff.
3) Z. B. Sachsen Art. 1 (die königl. sächsischen Truppen); Württemberg
Art.1 (die königl. württembergischen Truppen); Mecklenburg Art.1 (großherzog-
liche Truppenteile); Baden Art. 1-3; Hessen Art. 2, 3, usw.
4) Z. B. Oldenburg Art. 2}, Braunschweig Art. 1 u. 2 usw.