Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

62 & 99. Die Militärhoheitsrechte der Einzelstaaten. 
und die einzelnen Kontingente zu taktischen Verbänden vereinigt sind. 
Demgemäß sind alle deutschen Truppen verpflichtet, den Befehlen des 
Kaisers unbedingte Folge zu leisten, und der Höchstkommandierende 
eines Kontingents, ferner alle Offiziere, welche Truppen mehr als 
eines Kontingents befehligen, und alle Festungskommandanten werden 
vom Kaiser ernannt '). 
Infolge dieses kaiserlichen Oberbefehls ist die Kommandogewalt 
der Landesherren eine untergeordnete, oder, wenn man den Ausdruck 
vorzieht — unselbständige. Die Reichsverfassung gibt ausreichende 
Garantien dafür, daß der Oberbefehl des Kaisers in Krieg und Frieden 
ein wirkungsvoller ist, dem die Kontingentsherrlichkeit der Bundes- 
fürsten an keinem Punkte hinderlich in den Weg treten kann. Aber 
unrichtig ist es, die militärischen Hoheitsrechte der Landesherren mit 
dem Oberbefehl des Kaisers überhaupt für unvereinbar zu erklären 
und sie vermittelst dieses Grundes wegdeduzieren zu wollen. Die 
Befehlsgewalt kann abgestuft sein; es kann jemand gleichzeitig 
nach unten zu befehlen berechtigt und nach oben zu gehorchen ver- 
pflichtet sein und gerade die militärischen Einrichtungen machen 
dies jedem so anschaulich, daß man sich scheuen müßte, eine so 
triviale Wahrheit überhaupt auszusprechen, wenn nicht einige Schrift- 
steller die Behauptung aufstellten, daß die Bundesfürsten *) über ihre 
Truppen gar keine Befehlsgewalt haben, weil dem Kaiser über die- 
selben Truppen der Oberbefehl zustehe’?’). | 
Die norddeutsche Bundesverfassung hat auch in dieser Beziehung 
an einen schon gegebenen Zustand angeknüpft;, denn durch Art. 4 
des Bündnisvertrages vom 18. August 1866 waren die Truppen der 
norddeutschen Staaten bereits dem Oberbefehl des Königs von Preußen 
volltönenden Worten mehrmals wiederholt. Diese Unterscheidung ist aber willkür- 
lich. Daß die Reichsverfassung die Worte Befehl und Oberbefehl als ganz gleich- 
bedeutend gebraucht, ergibt sich in unzweifelhafter Weise daraus, daß Art. 53 
dem Kaiser den „Oberbefehl“ über die Marine zuschreibt. Ebenso spricht Art.4 
der württemb. Militärkonvention vom „Oberbefehl“ des Bundesfeldherrn über die 
württemb. Truppen, während andererseits der Bündnisvertrag mit Bayern den Aus- 
druck braucht, daß das bayerische Heer im Kriege „unter dem Befehle“ des Bun- 
desfeldherrn steht. Der Fahneneid der hessischen Staatsangehörigen enthielt bis 
1871 die Worte „Sr. Majestät dem Könige von Preußen als Oberbefehlshaber“, 
Hess. Militärkonvention Art. 3, Abs. 3. Oberbefehl ist nichts anderes als der oberste 
Befehl, eine Qualifikation, die für das Befehlsrecht des Kaisers selbstverständlich ist 
und daher ohne Aenderung des Sinnes wegbleiben konnte. 
1) Reichsverfassung Art. 64, Abs. 2. Außerdem ist bei Generalen und den 
Generalstellungen versehenden Offizieren innerhalb des Kontingents die Ernennung 
von der jedesmaligen Zustimmung des Kaisers abhängig zu machen. 
2) Hierbei ist namentlich an die Könige vonSachsen und Württem- 
berg zu denken, denn die anderen haben durch Militärkonventionen auf die Aus- 
übung ihres Rechtes verzichtet und für Preußen ist die Frage nur von formeller Be- 
deutung. 
3) So insbesondere Brockhaus S. 216, 219 fg. Ferner Bornhak S. 371g.
	        
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