8 99. Die Militärhoheitsrechte der Einzelstaaten. 63
unterstellt und dasselbe wurde für die Truppen der süddeutschen
Staaten durch die Schutz- und Trutzbündnisse für den Fall des Krieges
vereinbart!), und doch würde es eine völlig sinnlose Behauptung sein,
daß durch diese Vertragsfestsetzungen die (damals souveränen) deutschen
Landesherren die Kommandogewalt über ihre Truppen verloren ge-
habt hätten. Was aber durch Staatsverträge bewirkt werden kann,
muß doch auch durch Verfassungsbestimmungen ermöglicht werden
können.
Die Offiziere der deutschen Kontingente stehen auch in einem
Dienstverhältnis nur zu demjenigen Landesherrn, von welchem
sie angestellt worden sind; es gibt keine »kaiserliche«, sondern nur
preußische, sächsische, württembergische und bayerische Offiziere ?).
Dieser Grundsatz bildet die ausnahmslose verfassungsmäßige Regel;
die Reichsverfassung hat ihn auch durch die Anordnungen im Art.
63, Abs. 2 nicht eingeschränkt; denn es ist nicht erforderlich, daß der
Offizier durch Uebernahme des vom Kaiser verliehenen Amtes aus
dem Offizierkorps seines Kontingents ausscheidet 3).
Der Fahneneid wird seitens der Offiziere dem Kontingents-
herrn geleistet und in diesem Eid wird dem Kontingentsherrn
das Versprechen gegeben, ihm treu zu dienen und dem Kaiser Gehor-
sam zu leisten *); in Bayern unter Beschränkung auf den Fall des
Krieges. In Preußen und in allen mit der preußischen Armee ver-
bundenen Kontingenten fällt diese Unterscheidung fort und die Ofliziere,
Aerzte und Militärbeamten leisten den Fahneneid resp. Beamteneid
dem Könige von Preußen; in mehreren Konventionen ist aber
ausbedungen, daß sie sich gleichzeitig verpflichten: »das Wohl und
Beste des betreffenden Landesherrn zu fördern, Schaden und
1) Siehe Bd. 1, S. 37.
2) In den Kontingenten von Hessen und beiden Mecklenburg erhalten
die Offiziere usw. neben den königlich preußischen Patenten auch noch großherzog-
liche Patente und führen, so lange sie diesen Kontingenten angehören, ausschließ-
lich die Bezeichnung „Großherzoglich‘. Hessische Militärkonvention Art. 4.
Beide Mecklenburg. Konventionen von 1872, Art. 9.
3) Ausdrückliche Anerkennung hat dies gefunden in der Vereinbarung bezüg-
lich der Festung Ulm vom 16. Juni 1874, Art. II, Abs. 5. Vgl. auch wegen der
Festungskommandanten in Sachsen die sächsische Militärkonvention Art. 7: „Dieselben
haben, wenn siedenkönigl. sächsischen Truppen angehören, nach-
folgenden Eid zu leisten.“ Vgl. Guderian im Arch. f. öffentl. Recht, Bd. 19,
S. 504. Gordanin Hirths Annalen 1908, S.486 ff. Auch in dem preußischen Kon-
tingente werden die Offiziere vom König von Preußen kraft eigenen Rechts,
nicht vom Kaiser oder in Vertretung desselben ernannt. Die Vertretung des Kai-
sers durch die Könige von Preußen, Sachsen und Württemberg ist eine doktrinäre
Fiktion, welche sowohl der Reichsverfassung als dem tatsächlich bestehenden Rechts-
zustand widerspricht.
4) In Sachsen haben jedoch die ein Kommando führenden Generale dem
Kaiser gegenüber das eidliche Versprechen des Gehorsams abzulegen. Militärkonven-
tion Art. 7.