Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

Ss 95. Allgemeine Prinzipien. 3 
Als der Norddeutsche Bund gegründet wurde, war unter allen 
Staaten, welche sich zu demselben vereinigten, nur ein einziger, der 
eine Kriegsmarine hatte, nämlich Preußen. Es war daher nicht 
die mindeste Schwierigkeit vorhanden, die preußische Kriegsmarine 
nebst dem dazu gehörenden Inventar, Häfen, Werften usw. dem 
Bunde zu überweisen, die Kosten ihrer Erhaltung, Vergrößerung, Ver- 
waltung auf den Bundesetat zu übernehmen, den Oberbefehl dem 
Könige von Preußen, der ja zugleich Präsident des Bundes war, un- 
eingeschränkt zu lassen und die mit der Verwaltung betraute Behörde 
zur Bundesbehörde zu erklären. Der Eintritt der süddeutschen Staaten 
in den Bund bot begreiflicherweise keinen Anlaß, in dieser Beziehung 
eine Aenderung vorzunehmen. Hinsichtlich der Marine besteht daher 
ein sehr einfacher und durchgreifender Grundsatz: sie ist ausschließ- 
lich Reichsangelegenheit; sie ist in Wahrheit einheitlich; die Einzel- 
staaten sind als solche völlig unbeteiligt; Gesetzgebung, Verwaltung, 
ÖOberbefehl, Dienstherrlichkeit stehen einzig und allein dem Reiche resp. 
dem Kaiser zu. Für keinen Verwaltungszweig ist die Zuständigkeit 
des Reiches von den Befugnissen der Einzelstaaten vollständiger 
losgelöst wie für die Marine. 
Dagegen waren alle zum Norddeutschen Bunde beziehentlich zum 
Deutschen Reiche sich vereinigenden Staaten von alters her im Be- 
sitze militärischer Streitkräfte und in der durchaus selbständigen Aus- 
übung militärischer Hoheitsrechte. Der ehemalige Deutsche Bund be- 
schränkte die Militärhoheit der deutschen Staaten ebensowenig, wie er 
im übrigen ihrer Souveränität Abbruch tat; er begründete nur eine 
Verpflichtung aller deutschen Staaten zu gegenseitigem Schutz und 
Beistand, d. h. zur Vereinigung ihrer Truppen im Falle eines gemein- 
schaftlichen Krieges zu einer kombinierten Heeresmacht, der soge- 
nannten Bundesarmee. Infolge dieser völkerrechtlichen Verpflich- 
tung, welche eine der wesentlichsten Seiten des Bundesverhältnisses 
bildete, verabredeten die deutschen Staaten in der Form von Bundes- 
beschlüssen gewisse allgemeine Grundzüge der Heeresorganisation und 
sie setzten eine nach der Bevölkerungszahl bemessene Präsenzstärke 
fest, zu deren Bereithaltung die einzelnen Staaten sich gegenseitig ver- 
bindlich machten. Sie einigten sich ferner über Errichtung, Erhal- 
tung und Besetzung gewisser im gemeinschaftlichen Interesse der 
Landesverteidigung notwendigen Festungen. Den Inbegriff dieser Ver- 
abredungen (Bundesbeschlüsse) bezeichnete man mit dem Namen 
»Bundeskriegsverfassung«; dieselben waren in jeder Beziehung unge- 
nügend, um eine wirkliche Uebereinstimmung in der Formation, Be- 
waffnung und Ausbildung der einzelnen Kontingente herbeizuführen, 
um das Gefühl der Zusammengehörigkeit, gleichmäßiger Kriegstüchtig- 
keit und solidarischer Verantwortlichkeit zu stärken, um ein einheit- 
liches Zusammenwirken der kombinierten Heereskörper im Falle eines 
Krieges zu sichern, endlich um die Lasten des Heerwesens auf die ge-
	        
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