Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

S 99. Die Militärhoheitsrechte der Einzelstaaten. 75 
Charakteristisch für den Fahneneid und damit für die rechtliche 
Natur der Wehrpflicht ist der Grundsatz, daß wenn Landesherrlichkeit 
und Kontingentsherrlichkeit nicht in der Person desselben Bundes- 
fürsten zusammenfallen, der Fahneneid nicht dem Kontingents- 
herrn, sondern dem Landesherrn geleistet wird, so daß also 
z. B. preußische Staatsangehörige, welche ihrer Dienstpflicht in einem 
sächsischen, württembergischen oder bayerischen Truppenteil genügen, 
den Fahneneid dem Könige von Preußen leisten !. Diesem Grundsatz 
entsprechend wird der Fahneneid auch denjenigen Bundesfürsten, 
welche die Kontingentsherrlichkeit nicht selbst ausüben, von ihren 
Untertanen abgeleistet, gleichviel in welchen Truppenteilen diese ihre 
Dienspflicht erfüllen. Die Militärkonventionen enthalten darüber aus- 
drückliche Zusagen. So bestimmt z. B. die thüringische Kon- 
vention Art. 6: 
»Die aus den Bundesgebieten der mitkontrahierenden 
Staaten ausgehobenen Wehrpflichtigen, mögen sie in die Art. 1 ge- 
dachten thüringischen Infanterieregimenter oderin andere Truppen- 
teile des Reichsheeres eingestellt sein, leisten ihren betreffen- 
der Tat sehr überflüssig wäre —, sondern ihm „als Soldat treu zu dienen‘, also 
Soldatendienste. Diese Dienste leistet er ihm, gleichviel in welchem Trup- 
penkörper er dient, Sowie der zu einem anderen Kontingent oder als Adjutant 
eines Bundesfürsten abkommandierte Offizier die Dienstpflicht gegen seinen Kon- 
tingentsherrn erfüllt. Vgl.meine Ausführungen im Archiv für öffentliches Recht III, 
S. 522 ff. und Hecker Art. Fahneneid in v. Stengels Wörterbuch I, S. 375; Seydel, 
Kommentar S. 368 ff. und Gümbela.a. O.S. 151. — Arndt, Staatsrecht S. 487 
meint, daß die Leistung des Fahneneides vom militärischen Gesichtspunkt aus 
nicht über den Begriff einer Ehrung des Landesherrn hinausgeht; für die staatsrecht- 
liche Erörterung kommt es aber nicht auf die militärischen, sondern auf die staats- 
rechtlichen Gesichtspunkte an. Von allen Schriftstellern, welche die Kontingents- 
verfassung des deutschen Heeres bestreiten, wird die Bedeutung des Fahneneides 
möglichst heruntergesetzt. 
1) DieFormeldes Fahneneides für preußische Staatsangehörige ist noch 
jetzt die durch die Kabinettsordre vom 5. Juni 1831 vorgeschriebene. Außerdem haben 
sie zu Protokoll zu erklären, daß der von ihnen geleistete Fahneneid die Verpflich- 
tung einschließe, dem betreffenden Kontingentsherrn als Bundesfürsten treue Dienste 
zu leisten usw. Reskript des preußischen Kriegsministers vom 
19. Februar 1869. Ein solches Protokoll ist auch aufzuehmen, wenn Untertanen 
anderer Bundesstaaten in ein anderes als das heimische Kontingent eingetreten sind. 
Die Formel des Fahneneides für diejenigen Militärpflichtigen, welche ihrer Dienstpflicht 
nicht bei einem Truppenteile des Bundesstaates genügen, dem sie angehören, ist fest- 
gestellt worden durch die Kabinettsordre vom 14. Dezember 1867 (Armeeverordnungs- 
blatt, S. 179). Dieselbe findet auch: auf bayerische Untertanen Anwendung, 
welche in nicht bayerischen Kontingenten zur Einstellung gelangen. Reskript des 
preußischen Kriegsministeriums vom 4. Mai 1872. — Vgl. v. Helldorff, Dienst- 
vorschriften Bd. 2, Teil I, S. 2 ff. — Für die zur Marine eingezogenen Mannschaften 
greift Art. 53, Abs. 1 der Reichsverfassung Platz. — Die Bekräftigungsformel am Schluß 
des Eides lautet jetzt gleichmäßig für die Angehörigen aller christlichen Konfessionen: 
„So wahr mir Gott helfe durch Jesum Christum und sein heiliges Evangelium.“ Kab.- 
Ordre vom 11. Sept. 1911. AVBI. S. 273.
	        
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