$ 101. Das stehende Heer. 83
welche die Grundzüge der Friedensformation des Heeres mit formeller
Gesetzeskraft festgestellt sind, und dadurch einerseits das Gebiet, auf
welchem die freie Entschließung des Kaisers Spielraum hat, erheblich
eingeschränkt, andererseits aber eine feste Grundlage für die Aufstellung
des Militäretats geschaffen. Insoweit es an gesetzlichen Bestimmungen
fehlt, kommen für die militärischen Anstalten, Truppenformationen und
ihren Personalbestand die Ansätze des jährlichen Reichshaushaltsge-
setzes und das Verordnungsrecht des Kaisers zur Anwendung.
1. Die Organisation des deutschen Heeres beruht auf dem Kadre-
system, d.h. die im Kriege zur Verwendung kommende Heeresmacht
wird im Frieden nur zum Teil präsent gehalten. Die Friedensfor-
mationen bilden den Rahmen, welcher erst im Kriege durch die ein-
gezogenen Mannschaften und Offiziere völlig ausgefüllt wird; zugleich
aber dienen sie zur militärischen Ausbildung der Mannschaften; sie sind
die militärischen Schulen und die Zeit des Dienstes im stehenden Heere
ist die militärische Lehrzeit. Das Wehrgesetz vom 9. November 1867,
8 4 erklärt das stehende Heer und die Flotte für »die Bildungsschulen
der ganzen Nation für den Krieg« und gibt hierdurch sowie durch
die Vorschriften über die allgemeine Wehrpflicht dem Kadresystem ge-
setzliche Geltung.
2. Die Grundeinheit für die Formation und Gliederung der ganzen
Armee ist das Bataillon für die Infanterie nebst den Jägern, für die
Fußartillerie, die Pioniere und den Train, die Schwadron (Eska-
dron) für die Kavallerie und die Batterie für die Feldartillerie. Die
Bataillone zerfallen in Kompagnien, und zwar in der Regel in je 4,
bei dem Train in je 2—3; allein so wichtig diese Unterabteilungen auch
in bezug auf die Ausbildung der Mannschaften und die Einrichtung
des Dienstes sind, so bleibt durch dieselben doch der Grundsatz un-
berührt, daß das Bataillon die letzte taktische Einheit der Infanterie
ist!); daher ist auch die Anzahl der Kompagnien gesetzlich nicht fixiert.
Andererseits ist bei der Feldartillerie nicht die Abteilung, sondern die
Batterie die letzte taktische Einheit und demgemäß die Anzahl der
Abteilungen nicht im Gesetz festgestellt. Die Anzahl der Kadres beträgt
am Schlusse des Rechnungsjahres 1916 auf Grund des Gesetzes vom
3. Juli 1913 (Regierungsblatt S. 496)
außerhalb der Friedensformation des Reichsheeres. Für die nach China
entsandten Truppenkörper hat eine gesetzliche Grundlage nicht bestanden; sie
sind nach Erfüllung ihrer Aufgabe in China aufgelöst worden. Dem Reichskanzler
ist für die Aufstellung der nach Ostasien entsandten Truppenkörper und für die da-
für geleisteten Ausgaben Indemnität erteilt worden. Reichsgesetz vom 25. Fe-
bruar 1901, $5 u.6. (Reichsgesetzbl. S. 8) — Die Besatzung von Kiau-
tschou bildet einen Bestandteil der Kriegsmarine des Reichs.
1) Vgl. Drucksachen des Reichstages 1874, I. Session, Beilage zu Nr. 106, S. 13,
Ziff. 4.