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abgesehen vom Falle des Defensivkrieges — der Zu-
stimmung des Bundesrats. Eine entsprechende ein-
schränkende Bestimmung wie im 2. Satzteil des $ 77
der Verfassung von 1849 findet sich aber auch in der
Verfassung von 1871 im Abs. 3 des Art. 11. Infolge
der unklaren Fassung der Stelle bietet diese Bestim-
mung bekanntlich grosse Schwierigkeiten. : M.E. ist die
Antwort auf die Frage, ob nach der Verfassung von 1871
im einzelnen Falle der Kaiser selbständig den völker-
rechtlichen Vertrag abschliessen kann oder nicht,
jedesmal von der Beantwortung der weiteren Frage
abhängig, ob die Materie des betreffenden Vertrages
in die Sphäre der Verordnung fällt oder nicht. Ist
das erstere der Fall, so übt der Kaiser durch die
Ratifikation des Vertrages ein ihm verfassungsmässig
zustehendes Verordnungsrecht aus. Fällt sie dagegen
in die Kompetenz der Gesetzgebung, so hat der Kaiser
nur die Förmlichkeiten des Vertrages zu erledigen,
insbesondere die Ratifikationserklärung im Namen des
Reichs abzugeben, während die Sanktion des Vertrags-
Gesetzes durch den Bundesrat erfolgt, der seinerseits
wiederum bei der Feststellung des Inhalts des Gesetzes
konstitutionell beschränkt ist durch die Notwendigkeit
der Zustimmung des Reichstags !?), Die Sachlage ist
also nach der Verfassung von 1871 wesentlich anders
als nach der von 1849. Denn in der Beschränkung
des Kaisers durch den 2. Halbsatz des $ 77 der Ver-
fassung von 1849 kann an sich nur der Ausdruck des
13) Diese von Zorn bereits in der 1. Aufl. seines Staats-
rechtes (1883) Bd. II. S. 421 ff., 431 vertretene Meinung — im An-
schluss an E. Meier, Abschluss von Staatsvertr. 110 ff. — war
früher sehr umstritten (vergl. Laband, 1. Aufl. Bd. II. 174 £f.),
darf aber jetzt als die herrschende bezeichnet werden: vergl.
Laband, 4. Aufl. Ba. II. S. 128.