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für die geltende Reichsverfassung folgt die Sakro-
sanktität des Kaisers, wie allgemein anerkannt ist,
aus der Eigenschaft der gleichen Persönlichkeit als
König von Preussen, d. h. als Mitträger der Reichs-
souveränität. Zweifellos ist nun die Unverantworlich-
keit und Unverletzlichkeit etwas, was einem Träger
monarchischer Staatsgewalt nicht fehlen darf. Denn
nähme man der Person des Monarchen diese Eigen-
schaft, so würde der „Monarch“ damit zugleich der
Gewalt eines oder mehrerer anderer Mitglieder des
staatlichen Personenverbandes unterworfen werden;
das aber würde natürlich die Ein- und Alleinherr-
schaft begrifflich unbedingt vernichten. Indessen
ebenso zweifellos gibt umgekehrt die rechtliche Un-
verantwortlichkeit und Unverletzlichkeit der mensch-
lichen Persönlichkeit noch nicht die Eigenschaft als
Monarch. Aus der Sakrosanktität des Kaisers können
also für die prinzipielle Rechtsstellung desselben nach
den beiden Verfassungen keine entscheidenden Folge-
rungen gezogen werden.
Gemäss $ 190 der Frankfurter Verfassung hat
der Kaiser — im Gegensatz zur geltenden Reichs-
des Kaisers zu behaupten. Indessen, wenn auch gemäss dieser
Bestimmung der Verfassung Massregeln der kaiserlichen Re-
gierungsgewalt durch das Reichsgericht rektifiziert werden
können, so kann doch der Kaiser niemals wegen solcher Mass-
regeln wirklich zur „Verantwortung* gezogen werden. Denn
wenn er den Entscheidungen des Reichsgerichts nicht nach-
käme, d.h. seine durch das Reichsgericht für unzulässig er-
klärten Anordnungen trotzdem durchführte, so wäre das zwar
verfassungswidrig, aber im Rahmen der Verfassung wäre auch
in diesem Falle kein Organ des Reichs vorhanden, das gegen
ihn einzuschreiten berechtigt wäre und ihn „verantwortlich“ zu
machen hätte. Das Urteil des Reichsgerichts würde daher nur
eine sittliche Verantwortlichkeit des Kaisers mit Rücksicht
auf den von ihm geleisteten Verfassungseid begründen können,