4. Von den Körpern der Selbstverwaltung, besonders von den Gemeinden. 417
nichts als ummauerte volkreiche Orte, welche aber rechtlich von
dem Gauverbande nicht getrennt waren. Der Unterschied zwischen
Stadt und plattem Lande war nur ein thatsächlicher, kein juristi-
scher. Dieältesten Entwicklungspunkte einer eigenthümlichen Stadt-
verfassung sind die alten königlichen Bischofsstädte am Rhein und
an der Donau. Hier hatten die Bischöfe weitgehende Herrschafts-
rechte über ihre Hintersassen, aber die Freien blieben anfangs noch
unter der Grafengerichtsbarkeit. Grundherrliche und öffentlich-
rechtliche Befugnisse durchkreuzten sich aufs mannigfachste. Erst
im X. Jahrhundert verliehen die Könige den Bischöfen häufig auch
die Grafengerichtsbarkeit über ihre Städte. Durch diese sogenannten
ottonischen Privilegien wurde das bloss negative Immuni-
tätsrecht des Bischofs vimmunis ab introitu judicis«) in eine positive
Gerichtsherrlichkeit umgewandelt. Dadurch trat zuerst eine volle
Exemtion der Stadt von der gewöhnlichen Gerichtsbarkeit des plat-
ten Landes ein. Die Stadt wurde ein befreiter Bezirk. Es soll nur
lediglich der vom Bischof ernannte Voigt über die Leute auf kirch-
lichem Gebiete die richterliche Gewalt ausüben. Derselbe war aber
zugleich ein öffentlicher Beamter, indem ihm vom Könige der Bann
geliehen werden musste. Ueberall bestand in den Bischofsstädten
eine sogenannte altfreie Gemeinde, welche den Mittelpunkt der städ-
tischen Entwicklung bildete Anfangs waren die Immunitätsprivi-
legien für Stadt und Land gleich, aber die weitere Entwicklung
ging verschiedene Bahnen. Auf dem Lande überwog das Hofrecht.
das Öffentliche Recht und die ganze Bevölkerung kam allmälıg un-
ter die Grundherrlichkeit. In den Städten siegte das öffentliche
Recht und beseitigte die privatrechtliche Grundherrlichkeit. Stadt-
verfassung und freies Bürgerthum des Mittelalters ist nicht aus dem
Hofrechte, sondern, in diametralem Gegensatz zu diesem, aus der alt-
germanischen Freiheit und aus der Wiederbelebung der altfränki-
schen Volksgerichtsverfassung erwachsen, während auf dem Lande
das Hofrecht zu einer immer festeren Konsolidation der herrschaft-
lichen Privatrechte führte.
Schon in der Blüthezeit der bischöflichen Herrschaft bestand
in den Städten überall ein Rath. Wie das ganze Mittelalter hin-
durch die Betheiligung des Volks am öffentlichen Leben wesentlich
und Landeskunde VIII. S.521f. X. 8.257 fl. 523. XI. S.513 ff. XII. S.353 ff.
425 ff. v. Rönneu. Simon, Die preussischen Städteordnungen vom 19 Nov.
150S u. vom 17. März 1931. Breslau 18354. E.v. Möller, Preussisches Stadtrecht
Breslau 1864.