Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

Die Verwaltung. 647 
trennt die rechtsprechende Thätigkeit von der laufenden Verwaltung, 
wenigstens in der obersten Instanz, setzt für sie ein eigenes pro- 
cessualisches Verfahren fest und ermöglicht damit eine unparteiische 
Rechtsprechung auch auf dem Gebiete des Verwaltungsrechtes. Bei 
einer klaren Unterscheidung des Wesens der aktiven Verwaltung 
und der Verwaltungsrechtsprechung wird es in der Regel nicht 
schwer sem, zu bestimmen, ob ein Gegenstand vor die Verwaltungs- 
behörde oder das Verwaltungsgericht gehört. Sollten aber dennoch 
zwischen diesen Behörden Kompetenzkonflikte entstehen, so ent- 
scheidet darüber endgültig das Oberverwaltungsgericht. 
Schwieriger ist es, eine grundsätzliche Abgrenzung zwischen 
der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte und der Verwaltungs- 
gerichte zu ziehen, da beide der gleichheitlichen ‚Aufgabe der 
Rechtsprechung, der Wiederhexstellung des gebrochenen Rechtes 
durch Richterspruch, dienen sollen. Abgesehen von ihrer straf- 
richterlichen Thätigkeit, wodurch sie die vom Staate mit peinlicher 
Strafe belegten Handlungen zu untersuchen und zu bestrafen haben 
und dadurch dem öffentlichen Rechte, auch den Befugnissen der 
Staatsgewalt, einen bedeutsamen Schutz gewähren, haben es die 
ordentlichen Gerichte mit dem Schutze der Privatrechte zu thun. 
»Vor die ordentlichen Gerichte gehören alle bürger- 
lichen Rechtsstreitigkeiten«!. Damit ist aber keineswegs 
gesagt, dass die ordentlichen Gerichte sich nie mit Fragen des 
öffentlichen Rechtes zu beschäftigen hätten. Im Laufe von privat- 
rechtlichen Streitigkeiten kommen nicht selten Vorfragen zur Be- 
urtheilung, welche dem Völkerrechte, dem Staatsrechte, dem Ver- 
waltungsrechte angehören. Diese hat der ordentliche Richter 
lediglich nach seiner juristischen Ueberzeugung zu entscheiden, 
ohne dass er die Vorentscheidung einer Verwaltungsbehörde zu 
suchen oder zu berücksichtigen hätte; er kann jeder Zeit incidenter 
auch Fragen des öffentlichen Rechtes in den Kreis seiner Erörterung 
ziehen. Gegenstand und Zweck eines Processes lassen sich, in Be- 
ziehung auf die Kompetenzfrage zwischen beiden Klassen der 
Gerichte, nur nach dem Inhalte und dem Antrage der Klage 
1 Diesem Satze des Reichsgerichtsverfassungsgesetzes entspricht auch die 
Auffassung der deutschen Reichsverfassung Art. 76, wo es heisst: »Streitigkeiten, 
zwischen den verschiedenen Bundesstaaten, sofern dieselben nicht privat- 
rechtlicher Natur und daher vonden kompetenten Gerichts- 
behörden zu entscheiden sind, werden auf Anrufen des einen Theils von 
dem Bundesrathe erledigte.
	        
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