99 I. Von den Organen des deutschen Reiches.
dem Reichskanzler selbst in unmittelbares Benehmen zu treten«
(Reden des Fürsten-Reichskanzlers und des Ministers von Mitt-
nacht. Stenogr. Ber. 1578 S. 347. 412 ff.\. Immer verbleibt aber
auch, während der Dauer jeder Art der Stellvertretung, dem Reichs-
kanzler die Verantwortlichkeit für die Gesammtleitung der
Politik, welche ın den Reichstagsverhandlungen im Gegensatz
zu der auf den Stellvertreter übergehenden rechtlichen Verant-
wortlichkeit für einzelne Amtshandlungen, als »historisch-politische
Verantwortlichkeit« bezeichnet wurde (v. Bennigsen, Stenogr.
Ber. 15758 S. 331. 346. 347).
Eine Specialvertretung ist nach dem Gegenstande, wie nach
den damit betrauten Personen beschränkt. In erster Beziehung
verfügt $ 2 des Gesetzes, dass nur für diejenigen einzelnen Amts-
zweige, welche sich in der eigenen und unmittelbaren Verwaltung
des Reiches befinden, Specialvertreter ernannt werden können.
Ausgeschlossen sind damit jene Geschäftezweige, bei welchen es
sich in der Hauptsache nicht um eine Verwaltung des Reiches han-
delt, sondern der Schwerpunkt der Reichsthätigkeit in dem Rechte
der Gesetzgebung und Aufsicht liegt. Umfasst das Ressort der Be-
hörde gleichzeitig Gegenstände, welche der Aufsicht, und solche,
welche der Verwaltung des Reiches unterliegen, so ist die Ueber-
tragung der Stellvertretung nur hinsichtlich der letzteren zulässig.
Persönlich ist die Ernennung von Specialvertretern des Reichs-
kanzlers dadurch beschränkt, dass dazu nur die Vorstände der
dem Reichskanzler untergeordneten obersten Reichsbehörden er-
nennt werden dürfen. »Die Uebertragung der Stellvertretung inner-
halb der gedachten Verwaltungszweige an die Vorstände der dem
Reichskanzler untergeordneten obersten Reichsbehörden empfiehlt
sich schon aus dem Reichsgedanken an sich, sowie im Interesse der
Stabilität der Geschäftsleitung innerhalb des betreffenden Ressorts.
Die Stellvertretung kann sich auf den ganzen Geschäftskreis der
Behörde, aber auch nur auf einzelne Theile desselben beziehen,
sodass dem Reichskanzler jeder Zeit eine weitere Zerlegung der
Ressorts freisteht. Die Motive zählen als Gegenstände, welche sich
zu einer solchen Vertretung eignen, auf: die Verwaltung der aus-
wärtigen Angelegenheiten, die Marineverwaltung, Post- und Tele-
graphie, die Verwaltung der Reichslande, endlich die Finanzen des
Reiches, soweit sie sich in dessen ausschliesslicher Verwaltung be-
finden. Als Specialvertreter des Reichskanzlers erscheinen jetzt
regelmässig die Vorstände folgender oberster Reichsbehörden: der