116 II. Von den Funktionen der Reichsgowelt.
sächlich von maassgebendem Einflusse auf das Zustandekommen
eines Gesetzes sein, das Staatsrecht ignorirt diese vorausgehenden
Stadien und verlegt den Anfang des Zustandekommens in die Ini-
tiative einer dieser beiden Körperschaften. Mit der Einbringung
des Gesetzentwurfes in den Bundesrath oder Reichstag beginnt
staatsrechtlich das Gesetzgebungswerk. Beide Körperschaften sind
sich in Betreff der sog. Initiative gleichgestellt. Die Beschränkung,
welche Artikel 23 der Initiative des Reichstags auferlegt, ist nur
eine scheinbare. Nach Absatz 1 des Artikels 23 hat der Reichstag
allerdings nur das Recht, »innerhalb der Kompetenz des
Reiches Gesetze vorzuschlagen«. Da aber eine Kompetenzerwei-
terung nach Artikel 78 auf verfassungsmässigem Wege erfolgen
kann, so kann auch der Reichstag stets einen Antrag auf Kompe-
tenzerweiterung stellen. Wird dieser vom Bundesrathe angenom-
men, so liegt dann auch der beabsichtigte Gesetzentwurf sinner-
halb der Reichskompetenz«. Ja, wenn der Bundesrath einem
solchen Gesetzentwurf gleich von vornherein seine Zustimmung
ertheilt, so ist nicht einmal dieser Umweg nöthig.
In beiden Körperschaften kann die Initiative nur von einem
Mitgliede ausgehen. Die Einbringung eines Antrages auf Erlass
eines Gesetzes ist im Reichstage durch die Geschäftsordnung ge-
regelt, der Antrag muss von wenigstens 15 Mitgliedern unterzeich-
net sein. Im Bundesrathe ist nach Artikel 7: :jedes Bundesglied
befugt, Vorschläge zu machen und in Vortrag zu bringen, und das
Präsidium ist verpflichtet, dieselben der Berathung zu übergebenz.
Wenn eine der beiden Körperschaften einen Gesetzesvorschlag
angenommen hat, so wird derselbe durch das Präsidium der andern
übermittelt. Ist die Initiative vom Bundesrathe ausgegangen, 80
werden »die Vorlagen nach Maassgabe der Beschlüsse des Bundes-
rathes im Namen des Kaisers an den Reichstag gebracht« (Arti-
kel 16). Diese Uebermittelung erfolgt durch den Reichskanzler,
welcher verpflichtet ist, die vom Bundesrathe beschlossenen Vor-
lagen an den Reichstag zu bringen, wenn er auch inhaltlich mit
ihnen nicht einverstanden ist, wenn die von ihm abgegebenen
preussischen Stimmen in der Minderheit geblieben sind. Für den
desrathe einbringen will, vorher dem Staatarathe vorgelegen haben oder nicht.
Dagegen hat die preussische Regierung unzweifelhaft das Recht, für des deut-
sche Reich bestimmte Entwürfe durch eine rein preussische Behörde vorprüfen
zu lassen, denn die Gesetzentwürfe, welche sie dem Bundesrathe vorlegt, geben
vam König von Preussen, nicht vom Kaiser aus,