5. Von der Reichsgesetzgebung. 125
delegirt ist. Diese, obgleich Reichsrecht, werden doch nach den
Regeln des Landesstaatsrechtes verkündigt, wenn das delegirende
Reichsgesetz nichts anderes vorgeschrieben hat.
$ 289.
IV.-Das Verhältniss der Reichs- und Landesgesetzgebung zu
einander. !
Im deutschen Reiche giebt es, seiner bundesstaatlichen Natur
nach, eine doppelte Gesetzgebung, indem sowohl dem Reiche, als
den Einzelstaaten ein Gesetzgebungsrecht zusteht. Die Gebiete, auf
welchen sich diese beiden Gesetzgebungsgewalten bewegen, sind
theils verfassungsmässig ganz geschieden, theils findet eine konkur-
rirende Thätigkeit beider auf denselben Gebieten statt. Es giebt
Gebiete, welche ausschliesslich der Reichsgesetzgebung
angehören, wo also die Gesetzgebung der Einzelstaaten vollstän-
dig ausgeschlossen ist. Dahin gehören theils solche Gegenstände,
welche durch ihre Natur und Beschaffenheit nur der Reichsgesetz-
gebung angehören können, theils solche, welche durch ausdrück-
liche Bestimmung der Reichsverfassung der Reichsgesetzgebung
ausschliesslich überwiesen, der Landesgesetzgebung vollständig ent-
zogen sind. So fallen lediglich der Reichsgesetzgebung anheim:
die Verfassung, die Behördenorganisation, die Finanzwirthschaft
des Reiches, die Gesetzgebung über die Kriegsmarine; in Betreff
der Handelsmarine sind in Artikel 54 die Punkte angegeben, in
Betreff deren das Reich allein gesetzliche Bestimmungen erlassen
kann, die Gesetzgebung über das Heerwesen, Artikel 61, über
das Zollwesen, Artikel 35, über die Besteuerung des im Bundes-
gebiet gewonnenen Salzes und Tabacks, bereiteten Branntweins und
Biers und aus Rüben oder anderen inländischen Erzeugnissen dar-
gestellten Zuckers, endlich über den gegenseitigen Schutz der in
den einzelnen Staaten erhobenen Verbrauchsabgaben gegen Hinter-
ziehungen, sowie über die Manssregeln, welche in den Zollaus-
schlüssen zur Sicherung der gemeinsamen Zollgrenzen erforderlich
sind. In Betreff dieser Gebiete besteht kein Zweifel. Jeder Ver-
such, die Landesgesetzgebung auf dieselben auszudehnen, wäre ver-
fassungswidrig und nichtig.
1 Das Verdienst, dieses Verhältniss zuerst streng juristisch behandelt zu
haben, gebührt R. Heinze, Das Verhältniss des Reichsstrafrechte zu dem Lan-
desstrafreeht. Leipzig 1871. Derselbe, im Gerichtssaal B. XXX. 8. 558. La-
band I, $6t. Derselbe bei Marquardsen, 8.91 ff. Zorn, B.1, 87, 8.119.