6. Von der Reichsjustiz. 131
{B.1.S.636/. Die Deutschen sahen daher mit einem gewissen Stolze
auf ihre Reichsgerichte, insbesondere das Reichskammergericht hin
und bezeichneten dasselbe häufig als »das Palladium der deutschen
Reichsverfassunge. Es wurde daher ernstlich betrauert, dass diese
ehrwürdige Institution mit dem Zusammenbruche des Reiches ihre
Endschaft erreichte.
$ 291.
2) Die Zwischenzeit des deutschen Bundes,
Keine Zeit war der Entwickelung des Rechtsstaates ungünstiger
als die des Rheinbundes. Aber, sogleich nach der Abschüttelung
der Fremdherrschaft, erwachte in Deutschland wie von selber der
im geschichtlichen Bewusstsein des deutschen Volkes begründete
Gedanke an ein oberstes Reichs- oder Bundesgericht. Solange
die bundesstaatlichen Ideen bei den Berathungen des Wiener Kon-
gresses vorwalteten, verlangte man folgerichtiger Weise ein Bun-
desgericht, wobei man anfangs sogar an einen obersten deutschen
Gerichtshof dachte, welcher, nach Vorbild des Reiclskammerge-
richtes, auch in Civilsachen oberste Instanz sein sollte, wie ja auch
schon der Gedanke an ein allgemeines deutsches Civilgesetzbuch in
den preussischen Entwürfen auftauchte. Vor allem aber wollten
Preussen und die ihm gesinnungsverwandten Regierungen den
Rechtsschutz auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts erneut wissen:
»dass in Fällen, wo ein Individuum, ein einzelner Unterthan oder
mindestens die Stände eines Landes ljeschwerde über eine vom
Landesherrn begangene Verletzung der in der allgemeinen Landes-
verfassung festgesetzten Grundsätze zu führen haben, diese Be-
schwerden der Erörterung und Entscheidung eines Bundesgerichtes
zu übergeben seien«. In allen diesen Vorschlägen übte das Vorbild
der alten Reichsgerichte seinen Einfluss. (Man verlangte Präsenta-
tion der Beisitzer durch die einzelnen Bundesfürsten, Prüfung und
Ernennung durch das Gericht, Reichsunmittelbarkeit derselben
u. 8. w... Gerade deshalb erklärten sich Bayern und Württemberg
dagegen, weil sie jede bundesstaatliche Unterordnung'zurückwiesen:
»Die Errichtung eines Bundesgerichtes sei unzulässig, ein solches
müsse unter anderem Namen den Reichshofrath und das Reichs-
kammergericht wieder herbeiführen«. Bekanntlich siegten zuletzt die
rheinbündnerischen Anschauungen; der lockere Staatenbund hatte
t Klüber, Verhandlungen des Wiener Kongresses B. II. H.Zupfla.a.O.
B.11.5153 f.
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