Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

6. Von der Reichsjustiz. 133 
und durch Maassregeln der Reichsregierung, sowie Klagen der 
Reichsgewalt gegen die Einzelstaaten wegen Verletzung der Reichs- 
verfassung; alle Streitigkeiten zwischen den deutschen Staaten 
untereinander, Streitigkeiten über Thronfolge, Regierungsfähigkeit 
und Regentschaft, zwischen der Regierung eines Einzelstaates und 
dessen Volksvertretung über die Gültigkeit und Auslegung der 
Landesverfassung, Klagen der Angehörigen eines Einzelstaates gegen 
die Regierung desselben wegen Aufhebung oder verfassungswidriger 
Veränderung der Landesverfassung, Klagen deutscher Staatsbürger 
wegen Verletzung der durch die Reichsverfassung ihnen gewährten 
Rechte, Beschwerden wegen verweigerter oder gehemmter Rechts- 
pflege, Strafgerichtsbarkeit über die Anklagen gegen die Reichs- 
minister, sowie gegen die Minister der Einzelstaaten, insofern sie 
die ministerielle Verantwortlichkeit betreffen, Strafgerichtsbarkeit 
in den Fällen des Hoch- und Landesverrathes gegen das Reich, 
Klagen gegen den Reichsfiskus, Klagen gegen deutsche Staaten, 
wenn die Verpflichtung, Ansprüchen Genüge zu leisten, zwischen 
mehreren Staaten streitig ist, sowie wenn die gemeinschaftliche Ver- 
pflichtung gegen mehrere Staaten in einer Klage geltend gemacht 
wird. Solche hervorragende Befugnisse wollte besonders die preussi- 
sche Regierung dem Bundes- oder Reichsgericht im Jahre 1819 ein- 
räumen. Mit dem Scheitern aller dieser Reformpläne verschwand 
auch der Gedanke eines Bundesgerichtes für lange von der officiellen 
Tagesordnung. 
$ 292. 
3) Wiederherstellung eines deutschen Reichsgerichtes ', 
Bei dem hohen Werthe, welchen die preussische Regierung zu 
allen Zeiten, vor allem noch im Jahre 1949, auf die Herstellung 
eines Bundesgerichtes gelegt hatte, war es auffallend, dass der den 
verbündeten Regierungen vorgelegte Verfassungsentwurf des nord- 
deutschen Bundes nicht ein Wort über ein Bundesgericht enthielt. 
Diese Lücke wurde auch in der definitiven norddeutschen Bundes- 
verfassung nicht ausgefüllt. Die dem Öberappellationsgerichte zu 
Lübeck übertragene Gerichtsbarkeit bei Unternehmungen gegen 
den Bund, welche sich als Hoch- und Landesverrath charakterisir- 
ten, trat nie ins Leben. Kurz dem norddeutschen Bunde 
fehlte es anfangs an jeder eigenen richterlichen In- 
stanz. Die Ausübung der Gerichtsbarkeit stand ledig- 
ı Vergl. besonders L. Hauser, Die deutsche Oerichtsverfassung. 1979.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.