6. Von der Reichsjustis. 135
deutschen Reiche. So findet, auf dem ganzen Gebiete des bürger-
lichen und peinlichen Rechtes, die Gerichtsbarkeit in dem obersten
Reichsgerichte ihren Abschluss und zwar in weit folgerichtigerer
und durchgreifenderer Weise, als zu Zeiten des älteren deutschen
Reiches; dagegen ist die den Reichsgerichten von ehemals zuste-
hende, in allen früheren Entwürfen demzu errichtenden Bundesge-
richte zugedachte Zuständigkeit in staaterechtlichen Streitigkeiten
dem heutigen Reichsgerichte nicht übertragen, sondern wird, soweit
eine solche überhaupt stattfindet, durch den Bundesrath, bezw. den
Reichstag ausgeübt ($ 257 C).
6 293.
I. Allgemeine Grundsätze der heutigen Reichejustig !.
Auch heutzutage üben die deutschen Einzelstaaten, wie im
ehemaligen deutschen Reiche, ihre Gerichtsbarkeit kraft eigenen
Rechtes und im eigenen Namen aus (B.I. $ 196. S. 551 ff.); aber sie
sind bei der Ausübung derselben an die von der Reichegewalt aus-
gehenden Vorschriften gebunden. Letztere hat gerade auf diesem
Gebiete von ihrem Gesetzgebungsrechte in ausgiebigster Weise
Gebrauch gemacht, indem sie das gerichtliche Verfahren mit Ein-
schluss der Gerichtsverfassung in seinen Grundzügen gesetzlich
geregelt hat. Schon zu Zeiten des norddeutschen Bundes waren
umfangreiche Vorarbeiten zur Abfassung einer Civilprocessord-
nung gemacht worden, welche an den sog. hannöverschen Entwurf
und einen preussischen Entwurf von 16864 anknüpften; dieselben
traten dann mit dem Eintritt der süddeutschen Staaten in eine neue
Phase und führten endlich zur Verkündigung der Civilprocessord-
nung nebst Einführungsgesetz vom 30. Januar 1677 (Reichsgesetz-
blatt 63). Nach Feststellung des materiellen Strafrechtes durch das
Strafgesetzbuch für den norddeutschen Bund vom 31. Mai 1670,
jetzt Reichsstrafgesetzbuch vom 15. Mai 1871 Ineu veröffentlicht am
26. Februar 1876) wurde auch eine Strafprocessordnung in
Angriff genommen, welche, nach verschiedenen Umarbeitungen, am
1. Februar 1677 nebst Einführungsgesetz :Reichsgesetzblatt S. 253)
verkündigt wurde. Jede Processordnung setzt aber eine entspre-
1.G. Meyer 65 170-175. v.Rönn e, Deutsches Staatsrecht B. II. 2.51—90.
Laband, Deutsches Staaterecht B. III. 2. $ 96-106, DerselbebeiMarquard-
sen 517. 8.174. Zorn B. II, B.X.S. 361 ff. John in v. Holtzendorff’s
Hechtalex. 11.8.103—113: Gerichtsverfassung. Hauser, Die Gerichtsverfassung