136 II. Von den Funktionen der Reiohsgewalt.
chende Organisation der Gerichte voraus, daher musste zu beiden
Processordnungen ein Gerichtsverfassungsgesetz treten, wel-
ches nebst Einführungsgesetz am 27. Januar 1877 erlassen worden
ist. Dasselbe umfasst gleichmässig die Organisation der bürgerlichen
und peinlichen Gerichte, welche durchweg zu denselben Behörden
verbunden sind. Diese drei grossen Gesetze sollten am 1. Oktober
1879 im ganzen Umfange des Reichs ins Leben treten, wie dies
auch wirklich geschehen ist. Dazu traten noch einige andere er-
gänzende Gesetze: die Konkursordnung vom 10. Februar 1877, die
Rechtsanwaltsordnung vom 1. Juli 1878, das Gerichtskostengesetz
vom 18. Juni 1878, Gebührenordnung für die Gerichtsvollzieher
vom 24. Juni 1878. Mit diesen grossen Justizgesetzen hat die reichs-
gesetzliche Ordnung der Gerichtsverfassung und des Verfahrens vor-
läufig ihren Abschluss erreicht. Wie oben bereits erwähnt, hat die
Reichsgesetzgebung nur die Grundzüge der Gerichtseinrichtungen
festgestellt, das Detail den Einzelstaaten überlassen. Unzweifelhaft
sind die deutschen Gerichte auch heutzutage noch, wenn auch auf
Grund eines Reichsgesetzes geschaffene Behörden der Einzel-
staaten, dieRichter sind Landes-, nicht Reichsbeanite.
Eine Ausnahme macht nur das unter Nr. III zu besprechende
Reichsgericht. Auch werden die Kosten der Gerichtsbarkeit, mit
Ausnahme der für das Reichsgericht erforderlichen, von den Ein-
zelstaatcn getragen, in deren Kassen aber auch die Gebühren
fliessen, welche durch ein Reichsgesetz festgestellt sind; dagegen
werden die Kosten der Justiz, welche aus der Staatskasse zu leisten
sind, z. B. die Gehalte der Richter und der Gerichtsbeamten, lan-
desrechtlich normirt. Auch bezieht sich die reichsgerichtliche
Regelung der Justiz nur auf die ordentliche streitige Ge-
richtsbarkeit in bürgerlichen und peinlichen Sachen;
die Ordnung der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Verwaltungs-
rechtspflege ist lediglich der einzelstaatlichen Gesetzgebung zuge-
wiesen. Abgesehen von einzelnen bestimmten Punkten hat auch
die Reichsgesetzgebung den Einzelstaaten überlassen, die Linie zu
ziehen, welche die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegen
andere Funktionen der Staatsgewalt, besonders die Verwaltung und
die Verwaltungsgerichtsbarkeit, abgrenzt. Bei der grossen Verschie-
denheit der einzelnen Landesgesetzgebungen erschien es unmöglich,
die Grenzen zwischen Justiz und Verwaltung reichsgesetzlich näher
zu regeln. ’Endemanna.a.0.1IS.57.‘ Das ist der Sinn von $ 13
des Gerichtsverfassungsgesetzes: »Vor die ordentlichen Gerichte