Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

6. Von der Reichsjustiz. 139 
g 294. 
III. Die eigene Gerichtebarkeit des Reiches. durch das 
Beichsgericht 1, 
Alle bisher beschriebenen deutschen Gerichte sind Landes- 
gerichte, so die Amtsgerichte mit den bei ihnen gebildeten 
Schöffengerichten, die Landgerichte mit ihren Civil- und Strafkam- 
mern, ihren Kammern für Handelssachen und den bei ihnen gebil- 
deten Schwurgerichten, endlich auch die Oberlandesgerichte. Die 
vom Reiche selbst geübte Gerichtsbarkeit concentrirt sich in Einem 
Gerichtshofe, dem Reichsgericht zu Leipzig. Dies ist nicht 
ein gemeinsames Gericht der Einzelstaaten, wie einzelne Oberlau- 
desgerichte, gemeinsame Gerichte mehrerer Staaten sind, sondern 
ein einheitliches Reichsgericht, in welchen die oberste 
Gerichtsbarkeit des Reiches ihren Ausdruck findet. Als ober- 
stes Gericht spricht das Reichsgericht stets in letzter Instanz; 
mag dies in erster, zweiter oder dritter Instanz geschehen. Das 
Reichsgericht übt die dem Reiche zustehende Gerichtsbarkeit in 
dem Umfange aus, welcher ihm durch die Reichsgesetze gestattet 
iet, ebenso unter Beobachtung des ihm reichsgesetzlich vorgeschrie- 
benen Verfahrens. Die Zusammensetzung und | Zuständigkeit der- 
selben ist im wesentlichen durch das Reich 
festgestellt. Das Reichsgericht wird mit einem Präsidenten, und der 
erforderlichen Anzahl von Senatepräsidenten und Räthen besetzt, 
welche vom Kaiser auf Vorschlag des Bundesrathes 
ernennt werden. Ein Präsentationsrecht der einzelnen 
Staaten, wie beim ehemaligen Reichskammergericht, nach einem 
bestimmten Schema, findet nicht statt. Thatsächlich mag auf 
die Vertretung der einzelnen Staaten und Rechtegebiete gebührende 
Rücksicht genommen werden, rechtlich findet kein Unterschied 
zwischen den Angehörigen der einzelnen Staaten, ebensowenig eine 
Vertheilung der Stellen unter dieselben statt. Zu Mitgliedern des 
Reichsgerichtes dürfen nur solche Personen ernannt werden, welche 
nach den $$ 2. 4. 5 überhaupt zum Richteramt befähigt sind und 
das 35. Jahr erreicht haben. 
Sämmtliche Mitglieder des Reichsgerichtes sind 
Reichsbeamte, ihr einziger Dienstherr ist der Kaiser. 
ı Planck in den preuss. Jahrb. B. XXXI. 8. 335. Unter den werthrollen 
Artikeln von John über Gerichtsverfassung ist besonders hervorzuheben der Ar- 
tikel: Reichsgerichtinv. Holtzendorff's Rechtelex. B. III. 8. 366 ff.
	        
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