Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

6. Von der Reichsjustiz. 143 
theilen aller Mitglieder mit Einschluss des Vorsitzenden erforderlich. 
Die Zahl der Mitglieder, welche eine entscheidende Stimme führen, 
muss eine ungerade sein. Ist die Zahl der anwesenden Mitglieder 
eine gerade, so hat derjenige Rath, welcher zuletzt ernannt ist, und 
bei gleichem Dienstalter, welcher der Geburt nach der jüngste ist, 
oder wenn dieser der Berichterstatter ist, der nächstälteste kein 
Stimmrecht. Die Senate entscheiden in der Besetzung von sieben 
Mitgliedern mit Einschluss des Vorsitzenden. Durch Gesetz vom 
11. April 1577 hat das Reichsgericht seinen Sitz zu Leipzig erhalten. 
Derjenige Staat, in welchem das Reichsgericht seinen Sitz hat, also 
das Königreich Sachsen, darf kein oberstes Landesgericht errichten. 
Kraft besonderer Teberweisung entscheidet das Reichsgericht 
noch in einigen anderen Angelegenheiten, in bürgerlichen Streitig- 
keiten und Strafsachen, so in Berufungen gegen Entscheidungen 
des Patentamtes wegen der Erklärung der Nichtigkeit oder der Zu- 
rückziehung eines Patentes, in Disciplinarsachen der Reichsbeamten, 
als Disciplinarhof, für die Rechtsanwälte als Ehrengerichtshof, in 
Streitigkeiten zwischen dem Senat und der Bürgerschaft nach der 
Hamburger Verfassung (B. I. S.505). Auch in denjenigen bürger- 
lichen Rechtsstreitigkeiten, für welche besondere Gerichte der Ein- 
zelstaaten zugelassen sind, kann die Gerichtsbarkeit letzter Instanz 
auf Antrag des betreffenden Einzelstantes, durch kaiserliche Ver- 
ordnung, mit Zustimmung des Bundesrathes auf das Reichsgericht 
übertragen werden, eine Befugnisse, von welcher die Einzelstaaten 
bereits Gebrauch gemacht haben, z. B. hinsichtlich der in erster 
Instanz entscheidenden agrarischen Gerichte \Generalkommissio- 
nen‘, hinsichtlich der bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten des Landes- 
herren und der landesherrlichen Familien. 
Ueber die Gerichtsbarkeit des Reiches in Streitigkeiten nicht 
privatrechtlicher Natur zwischen verschiedenen Bundesstaaten, wel- 
che dem Bundesrathe zusteht, über die Erledigung von Verfassunge- 
streitigkeiten in den Einzelstaaten durch Bundesrath und Reichstag 
ist bereits oben bei Besprechung der Funktionen dieser Organe ge- 
handelt worden.
	        
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