144 ll. Von den Funktionen der Reichagewalt.
Drittes Kapitel.
Von der Verwaltung des Reiches.
Erster Titel.
Von der Verwaltung der Reichsfinanzen'.
$ 295.
I. Geschichtliche Entwiokelung.
So unvollkommen thatsächlich das Finanzwesen des älteren
deutschen Reiches war (B.1.$31 S.63', so kam doch demselben, als
einem wirklichen Staate, eine wahre Finanzgewalt zu, von welcher
es freilich nur einen sehr geringen Gebrauch machte. Das Reich war
stets als selbständige vermögensrechtliche Persönlichkeit anerkannt.
Ja, in älteren Zeiten kannte man in Deutschland nur einen Reichs-
fiskus, bis mit der Entwickelung der Landeshoheit zu einer unter-
geordneten Staatsgewalt auch ein landesherrlicher Fiskus zur
Anerkennung gelangte. Häberlin a.a. O. B. II. $ 247. S. 210.)
Die Natur eines zusammengesetzten Staates, wozu sich das Reich
immer mehr entwickelte, brachte es mit sich, dass überall in Deutsch-
land ein doppelter Fiskus, ein Reichs- und ein Landesfiskus, wie
eine doppelte Finanzgewalt, die des Reiches und der Einzelstaaten,
sich gegenüberstanden.
In Betreff der Reichssteuern, welche nur bei ausserordent-
lichen Gelegenheiten ausgeschrieben wurden, gab es zwei Systeme,
das dee gemeinen Pfennigs und das der Römermonate; nach
dem ersten wendete sich das Reich unmittelbar an die Unterthanen,
nach dem zweiten an die Reichsstände, welche nach einer bestimm-
ten Matrikel zu den Römermonaten beigezogen wurden, wobei ihnen
das Recht blieb, dieselben auf ihre Unterthanen umzulegen {B. I.
S.64'. Obgleich das System des gemeinen Pfennigs mehr dem staat-
lichen, das der Römermonate mehr dem föderativen Charakter des
I Die allgemeine Literatur der Finanzwissenschaft, insbesondere des Finanz-
rechtes ist angegeben B. I. $ 203 8. 574. Das Lehrbuch der Finanzwissenschaft
Th.IvonL.v.Stein ist seitdem (1865) in fünfter Auflage in völlig umgearbeiteter
Gestalt erschienen und enthält tiefeingehende Erörterungen über die stastsrecht-
liche Seite des Finanzwesens. Besonders ist auch das Finanzwesen der Staaten-
systerne, namentlich des Bundesstaates 8. 65 ff. darin behandelt.