Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

156 II. Von den Funktionen der Reichsgewalt. 
Verleihung oder unvordenklichen Besitzstandes ausgeübt werden, 
aber der Kaiser war in Ertheilung dieses Privilegiums so freigebig 
gewesen, dass wohl kein Reichsstand vorhanden war, der nicht mit 
solchen Zollrechten begnadigt gewesen wäre. Von diesen planlos 
ertheilten Zollrechten wurde in der irrationellsten Weise Gebrauch 
gemacht. Ias deutsche Reich hatte nie Zollgrenzen gegen das Aus- 
land, aber in den einzelnen Territorien wurden zahlreiche Land- 
und Wasserzölle nach sehr verschiedenartigen, oft nur auf dem 
IIerkommen beruhenden Tarifen erhoben. Zu den Grenzzöllen ge- 
sellten sich noch vielfache andere JIemmungen des Verkehrs zwi- 
schen den verschiedenen Territorien und im Innern derselben, 
theils in der Form der Ausfuhr- und Einfuhrverbote, der Accise, 
der Stapel- und Umschlagsrechte, theils in der Form hoher Auf- 
lagen auf Käufe und Verkäufe, starker Abgaben für die Benutzung 
öffentlicher Verkehrsanstalten. Selbst die Wahlkapitulation (Ar- 
tikel VIII $ 1) gestand: »die deutsche Nation ist mit Zöllen zu 
Wasser und Lande aufs höchste beschwert.e Kurz das deutsche 
Reich war »das verkehrsfeindlichste Staatsgebilde, welches jemals 
bestanden hate. Mit der Auflösung des deutschen [Reiches fielen 
manche dieser Verkehrsbeschränkungen hinweg; viele innere Zölle 
wurden in Grenzzölle verwandelt, aber um so eifersüchtiger schlos- 
sen sich die nun souverän gewordenen Staaten im Verkehr von 
einander ab. Auch nach dem Sturze Napoleons und der Auf- 
lösung des Rheinbundes wurden in dieser Beziehung nur fromme 
Wünsche laut. Obgleich auf dem Wiener Kongress anfangs auch 
ein einheitliches Zoll- und Ilundelssystem mit auf den Wunsch- 
zettel des deutschen Volkes gesetzt wurde, so begnügte man sich 
doch schliesslich mit der nichtssagenden Phrase der deutschen 
Bundesakte Artikel 19: »Die Bundesglieder behalten sich vor, bei 
der ersten Zusammenkunft der Bundesversammlung, wegen des 
IIandels und Verkehrs zwischen den verschiedenen lundesstaaten, 
sowie wegen der Schiffahrt nach Anleitung der auf dem Kongress 
zu Wien angenommenen Grundsätze in Berathung zu treten.«a Ar- 
tikel 19 der Bundesakte blieb ein todter Buchstabe. Die Initia- 
v. Ulmenstein, Pragmatische Geschichte der Zölle in Deutschland und der 
deutschen Reichszollgesetze. Halle 1798. Gerstlacher’s Handbuch der deut- 
schen Reichsgesetze Th. IX. S. 1431 f. Für das neuo Reich vgl. Frh. v. Auf- 
sess, Die Zölle und Steuern und die vertragsmässigen Handelsbeziehungen des 
deutschen Reiche. Hirth’s Annalen 1580 S, 609. Derselbe, Art. »Zollverwal- 
tung« in v. Holtzendorff’s Rechtslex. B. III. S. 1411 ff. G.Meyor’s Ver- 
waltungsrecht S. 299 fl $ 273 ff. 
 
	        
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