180 II. Von den Funktionen der Reichsgewalt.
die einzelnen Unterthanen oder fordert Beiträge von den Einzel-
staaten, indem sie es diesen überlässt, wie sie dieselben aufbringen
wollen. ‘Gegensatz des gemeinen Pfennigs zu den Römermonaten
im älteren deutschen Reiche.) Im Finanzwesen des heutigen deut-
schen Reiches sind beide Systeme vereinigt. Das Reich legt den
einzelnen Reichebürgern unmittelbar Zölle, Verbrauchs- und Ver-
kehrssteuern auf, fordert aber auch, unter dem Namen von Matri-
kularbeiträgen, von den Einzelstaaten Geldbeiträge, welche aber
nicht wie im ehemaligen deutschen Bunde als Gesellschaftsbeiträge,
sondern als Steuern anzusehen sind, welche das deutsche Reich,
kraft seiner Finanzgewalt, den ihm untergeordneten Einzelstaaten
auferlegt. Dieselben sollten aber nach der ursprünglichen Absicht
der norddeutschen Bundes- wie der deutschen Reichsverfassung nur
provisorisch und nur subsidiär sein. »Insoweit die gemein-
schaftlichen Ausgaben durch die gemeinschaftlichen Einnahmen
nicht gedeckt werden, sind sie, solange Reichssteuern nicht
eingeführt sind, durch Beiträge der Einzelstaaten nach Maass-
gabe der l3evölkerung aufzubringen: (Artikel 70 der Reichsverfas-
sung). Aus diesen Worten geht deutlich hervor, dass man bei
Gründung der norddeutschen Bundes- und der deutschen Reichs-
verfassung offenbar von der Ansicht ausging, einerseits, dass Matri-
kularbeiträge nur aushülfsw eise zu erheben seien, wenn die soge-
nannten gemeinschaftlichen oder eigenen Einnahmen des Reiches
nicht ausreichen, andererseits, dass das Institut der Matrikularbei-
träge überhaupt nur solange beibehalten werden sollte, bis der ganze
Bedarf des Reiches durch einzuführende Reichssteuern gedeckt
werden könnte. Von dieser ursprünglichen, im Geiste einer ein-
heitlichen Reicheverfassung gedachten Auffassung ist man später
abgegangen, indem man das provisorische Institut der Matrikular-
beiträge zu einem dauernden gemacht hat. Dies ist geschehen
durch $ 5 des Reichsgesetzes betreffend den Zolltarif des deutschen
Zollgebietes und den Ertrag der Zölle und der Tabakssteuer vom
15. Juli 1879, wo es heisst: »Derjenige Ertrag der Zölle und der Ta-
bakssteuer, welcher die Summe von 130 Millionen Mark in Einem
Jahre übersteigt, ist den einzelnen Bundesstaaten, nach Maassgabe
der Bevölkerung, mit welcher sie zu den Matrikularbeiträgen heran-
gezogen werden, zu überweisen.« Ebenso heisst es in dem Gesetze
vom 1. Juli 1881 betreffend die Erhebung von Reichsstempelab-
gaben $ 32: »Der Ertrag dieser Abgaben fliesst in die Reichskasse
und ist den einzelnen Bundesstaaten nach dem Maassstabe der Be-