182 IL Von den Funktionen der Reichagewslt,
welche einzelne Staaten dafür zu bezahlen haben, dass gewisse
Einnahmen, welche grundsätzlich sonst der Reichskasse gehören,
bei ihnen in die Landeskasse fliessen; so haben Bayern und Würt-
temberg solche zu zahlen, weil die Einnahmen aus der Post und Tele-
graphie, Bayern, Württemberg und Baden, weil die Einnahmen aus
der Bier- und Branntweinsteuer in ihre Landeskassen fliessen. Da
aber wieder einzelne Länder an gewissen Ausgaben des Reiches
nicht betheiligt sind, so werden sie wieder zu den dadurch verur-
sachten Kosten nicht oder wenigstens nicht in gleichem Maassstabe
herangezogen, z. B. Bayern nicht zu den Kosten für das Post- und
Telegrephenwesen, für das Reichseisenbahnamt. So entsteht zmi-
schen dem Reich und den Einzelstaaten ein höchst verwickeltes
Abrechnungsverhältniss, welches durch Vorschriften vom
13. Januar 1872 geregelt ist!,
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V. Feststellung des Reichshaushaltsetats?.
Artikel 69 der Reichsverfassung stellt den Satz auf: »Alle Ein-
nahmen und Ausgaben des Reiches müssen für jedes Jahr veran-
schlagt und auf den Reichshaushaltsetat gebracht werden. Letzterer
wird vor Beginn des Etatsjahres durch ein Gesetz festgestellt.« Dar-
aus folgt, dass die Feststellung des Etats nur in Gesetzesform,
d. h. unter Vebereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse des Bundes-
rathes und des Reichstages erfolgen kann. Das so zu Stande gekom-
mene sogenannte Etatsgesetz ist vom Kaiser auszufertigen und
im Reichsgesetzblatt zu verkündigen. Da die Finanzperiode eine
einjährige ist, so muss der Etat für jedes Jahr besonders und
zwar vor Beginn des Etatsjahres festgestellt werden. Auch
muss dies für jedes Jahr in einem besonderen Etatsgesetze
geschehen. Feststellung des Etats auf zwei oder mehrere Jahre in
Einem Etatsgesetze ist ausgeschlossen. Die Feststellung zweier be-
sonderer Etatsgesetze in Einer Sitzungsperiode für die zwei folgen-
den Jahre wiederspricht zwar nicht dem Wortlaute, wohl aber dem
1 Bestimmungen zur Regelung der Abrechnungen zwischen der Reichshaupt-
kasse und den Landeskassen der Bundesstaaten. Vom 13. Jan. 1872. Erlassen
vom Reichskanzler im Einverständnisse mit dem Ausschusse des Bundesrathes
für Rechnungswesen. Hirth’s Annalen 1672. S, 1459 fl.
2 Die Theorie des Budgetrechtes ist im Landesstantsrecht eingehend hehan-
delt S. 562 ff. »Budgetrecht der Volksvertretung-. Dort ist auch die einschla-
gende Literatur angegehen.