Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

208 U. Von den Funktionen der Reichsgewalt. 
welchen die Eisenbahnen sich bereit erklären, Transportverträge ab- 
zuschliessen, jedoch mit Ausnahme der Tarifbestimmungen«. Das 
Betriebsreglement enthält daher wesentlich privatrechtliche Bestim- 
mungen über die allgemeiner Bedingungen, unter welchen die 
Bahnverwaltungen ihre Transportverträge abschliessen. Diese Be- 
stimmungen können nur soweit Rechtsgültigkeit beanspruchen, als 
sie nicht mit absoluten Reichsgesetzen, besonders den Sätzen des 
Handelsgesetzbuches in Widerspruch treten }, 
4) Dem Reiche steht die Kontrolle auch über das Tarifwesen 
zu. Dasselbe wird namentlich dahin wirken, »dass die möglichste 
Gleichmässigkeit und Herabsetzung der Tarife erzielt, insbesondere, 
dass bei grossen Entfernungen für den Transport von Kohlen, 
Koaks, Holz, Erzen, Steinen, Salz, Roheisen, Düngungsmitteln und 
ähnlichen Gegenständen ein dem Bedürfnis der Landwirthschaft 
und Industrie entsprechender ermässigter Tarif und zwar zunächst 
thunlichst der Einpfennigtarif eingeführt werde.« Nach diesem Ar- 
tikel 15 hat das Reich zunächst nur das Tarifwesen zu kontrolliren 
und in dem ausgesprochenen Sinne auf die Tarifpolitik der Einzel- 
staaten einzuwirken. Um diese Kontrolle zu ermöglichen, sind 
sämmtliche Bahnverwaltungen verpflichtet, »monatliche Nachweise 
über Einführung neuer und Abänderung bestehender Tarife dem 
Reichseisenbahnamt einzureichen und demselben von jeder Tarif- 
erhöhung spätestens gleichzeitig mit der Bekanntmachung An- 
zeige zu erstatten«. Bis jetzt ist die Verständigung der deutschen 
Bahnverwaltungen über das Tarifwesen ohne die Vermittelung der 
Reichsgewalt zu Stande gekommen und der Bundesrath hat am 
14. December 1876 nur ausgesprochen, dass gegen diese Verabre- 
dung von Reichswegen nichts einzuwenden sei. Dagegen ist es un- 
zweifelhaft, dass das Reich nach Artikel 4% der Reichsverfassung 
berechtigt wäre, das ganze Tarifwesen durch ein Reichegesetz 
zu regeln. 
5) »Bei eintretenden Nothständen, insbesondere bei ungewöhn- 
licher Theuerung der Lebensmittel, sind die Bahnverweltungen 
verpflichtet, für den Transport, namentlich von Getreide, Mehl, 
t Thöl, Handelsrecht B. III. Transportgewerbe $ 49 S.90 sagt: »Das deut- 
sche Betriebereglement ist nicht Gesetz, da ea nur vom Bundesrathe beschlossen 
ist, diesem aber die gesetzgebende Gewalt für einen solchen privatrechtlichen 
Inhalt fehlt Die Gültigkeit des Inhaltes ist demnach au prüfen nach den Ge- 
setzen, insbesondere den Reichsgesetzen, namentlich nach dem Handelsgesetz- 
buche. Anders steht es nach Thöl mit dem Bahnpolizeireglement vom 4. Ja- 
nuar 1875. Derselbe, Handelerechtliche Erörterungen. Göttingen 1682.
	        
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