Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

12 Das Reichsstastarechıt. 
waultung, sondern die Selbstgegesetzgebung. Diese Befugnisse 
sind nicht, wie Zorn behauptet, aus der Reichsgewalt abgeleitet, 
sondern stehen den Einzelstaaten ursprünglich und aus eigenem 
Rechte zu. Die Grenze dieser Kompetenzsphäre der Einzelstanten ist 
entweder ausdrücklich durch die lleichsgesetzgebung gesteckt oder 
stillschweigend durch den Satz gegeben, dass alles, was nicht aus- 
drücklich zur Kompetenz des Reiches gezogen ist, den Einzelstaaten 
verblieben ist. In dem Umstande, dass es noch zahlreiche und 
wichtige Gebiete staatlicher Thätigkeit giebt, wo die Einzelstaaten 
aus eigenem, nicht abgeleitetem Recht, nach selbstgegebenen Ge- 
setzen, zu handeln berufen sind, ist es begründet, dass sie nicht bloss 
als Körper der Selbstverwaltung, sondern als Staaten mit einer 
relativen Unabhängigkeit zu betrachten sind. Gerade dadurch wird 
dem deutschen Reiche der Charakter eines zusammengesetzten Staa- 
tes aufgeprägt, welcher nicht bloss aus Provinzen oder Kommunal- 
verbänden, sondern aus Staaten besteht. 
$ 218. 
3) Gleichheit der Rechte und Pflichten der Einzeistasten. 
Die Gliederstaaten des Reiches haben als solche gleiche Rechte 
und Pflichten ; sie nehmen vor allem durch das Organ des Bundes- 
rathes an der Willensbildung der Reichsgewalt theil. Durch diese 
grundsätzliche Gleichberechtigung wird aber nicht ausgeschlossen, 
dass dabei auch der Verschiedenheit der thatsächlichen Macht- und 
Grüssenverhältnisse der Einzelstaaten Rechnung getragen wird. So 
bei der Zumessung der Stimmberechtigung im Bundesrathe. Ia- 
gegeu haben alle Einzelstaaten für sich und ihre Angehörigen in 
gleicher Weise Anspruch auf Erfüllung derjenigen staatlichen 
Funktionen, welche das Reich übernommen hat, so auf Vertretung 
dem Auslande gegenüber, auf Rechtsschutz nach aussen und innen, 
auf militärische Vertheidigung. Den gleichen Rechten stehen 
grundsätzlich gleiche Pflichten gegenüber. Simmtliche Einzelstaa- 
ten sind der Reichsgewalt gleichmüssig untergeordnet und derselben 
zu verfassungsmässigem Gehorsam verpflichtet. Der Reichsgewalt 
stehen zur Geltendmachung dieser Gehorsamspflichten gleichmässig 
auch Zwaugsmittel zu Gebote. Nichterfüllung der Bundespflichten 
kaun Bund beifüh falls alle anderweitigen Mah- 
nungen zur Erfüllung dieser Päichten fruchtlos bleiben. Ebenso 
findet in Betreff der militärischen und finanziellen Pflichten eine 
gleiche Verpflichtung der Einzelstaaten statt, wobei die qualitativ
	        
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