9. Das Kriegswesen des Reiches. 235
Dritter Titel.
Das Kriegswesen des Reiches.
6 323,
Im Allgemeinen.
Die Thätigkeit der Staatsgewalt ist theils auf die inneren Ver-
hültnisse des Staates gerichtet, theils bezicht sie sich auf andere
Staaten ‘B. IS. 573). Gesetzgebung, Rechtspflege, innere Verwal-
tung im engeren Sinne, Verwaltung der Finanzen wirken nur inner-
halb des eigenen Staatsgebietes und mit Bezug auf die eigenen
Stnatsgenossen. Diese Funktionen würden in Thütigkeit bleiben,
auch wenn ein Staat für sich ganz allein in der Welt stände. Aber
die Staaten stehen in grosser Anzahl, als gleichberechtigte Persön-
lichkeiten nebeneinander. Treten sie und ihre Angehörigen mit
einander in Wechselverkehr, so können sie einander nicht befehlen,
sondern ihre speciellen Rechtsverhültnisse nur vertragsmässig
ordnen, während über ihnen, als höhere allgemeine Rechtsordnung,
das Völkerrecht waltet. Daraus ergiebt sich eine ganz eigenartige,
ı Lv. Stein, Die Lehre vom Heerwesen, als Theil der Staatswissenschaf-
ten. Stuttg. 1872. J. Stahl, Reehts- und Stantelehre. B. II. Abth. 1. 8. 565—
576. Bluntschli, Allgemeines Stastsreeht (VI. Aufl. v. E. Loening 1685)
S.270f. H. Blankenburg, Das Heerwesen des deutsehen Reiehes, in v. Holt-
zendorff's Jahrb. B.L 8. 379 f. Thudichum, Die Grundlagen der heutigen
deutschen Kriegsverfassung in v. Holtzendorff’s Jahrb. der Gesetsgebung
wsw.B.11.8.587 #. M.Seydel, Das Kriegewesen des deutschen Reiehes, in
den Annalen des deutsehen Reiches 1874. 8.1035 fE 1875 8.53 ff. 1091 ff, 1393 fl.
Die Militärgesetze des deutsehen Reiehes, herausgegeben auf Ver-
anlassung des königlieh preusaisehen Kriegsministeriums, 6 Abtheilungen in
2 Bänden. Berlin 1877 und 1978. "Ein höchst brauehbares Werk.; Das Kriege-
wesen nimmt in den Institutionen des deutschen Reiehes eine so hervorragende
Stellung ein, dass nicht nur die kriegswissenschaftliehe, sondern aueh die staats-
reehtliehe Seite desselben bereits eine eingehende Behandlung erfahren hat. Den
Anfang maehen die oben erwähnten gründliehen Aufsätze von M. Seydel. Die
crste systematisehe Darstellung des deutsehen Militärzechtes giebt Laband in
seinem deutsehen Staatsrecht B. III. Dass wir gerade in den obersten Grund-
sätsen mit ihm nicht übereinstimmen können, kann der Anerkennung keinen
Fintrag thun, die seine im Einzelnen ausgezeichnete Darstellung verdient. Auf
seinen Sehultern stehen alle späteren Sehriftsteller, haben aber riehtigere
Grundsätse an die Spitse gestellt, was auch auf ihre Darstellung der Einzelheiten
vortheilhaft surüekwirkt. Hierher gehören vor allem Zorn, B. I. Bueh VI, Das
Reiehsmilitärrecht, und G. Meyer, welcher in seinem Lehrb. des Verwaltungs-
rechtes Th. II. B. IV eine ebenso ausführliche, als sorgfältige Darstellung des
deutschen Militärverwaltungsrechtes giebt.