210 1I. Von den Funktionen der Reichsgewalt.
so war es natürlich, dass der Grundbesitz eine grosse Bedeutung bei
der Abmessung der kriegerischen Leistungen hatte; nirgends aber
erscheint er als die einzige Voraussetzung derselben. Dass die Ver-
mögensungleichheit der Einzelnen den König bestimmte, auch die
Bewaffnung der Einzelnen entsprechend zu regeln, ist für das
IX. Jahrhundert ebenso quellenmässig bezeugt, als dass dieselbe
dazu führte, minder bemittelte Personen gruppenweise zu verbinden,
den persönlichen Auszug nur von Einem Mitgliede der Gruppe zu
fordern, die anderen aber zu einer Unterstützung des Ausziehenden
‘adjutorium‘ zu verpflichten. Ein konstanter Maassstab für die Ver-
theilung der Wehrpflicht lässt sich nicht nachweisen. Die dadurch
hervorgerufene Willkür der königlichen Beamten bei Vertheilung
der kriegerischen Lasten, welche bei. den häufigen Feldzügen die
kleinen Freien zu Boden drückten, war ein Hauptgrund für den
allmählichen Untergang des Heerbannes, ja für die Umgestaltung
der ganzen Grundbesitz- und Standesverhältnisse des Volkes.
$ 325.
9) Die Lehensmillz des Mittelalters,
Während in der deutschen Urzeit, wie im Frankenreiche, der
Schwerpunkt der Wehrkraft ım Fussvolke gelegen hatte: »robur
apud peditem«, erhielt, seit den Ungarkriegen, die Reiterei die vor-
wiegende Bedeutung. Diese militärische Veränderung in der Be-
deutung der Waffengattungen wirkte auf die staatsrechtliche Seite
des Heerwesens zurück. Von einer Dienstpflicht jedes freien Man-
nes, wie unter den Karolingern, konnte nicht mehr die Rede sein.
Der Heerbeann verfiel. Der Reichskriegsdienst wurde ein Ritter-
dienst, Waffenrecht und Wehrpflicht die aristokratische Standesaus-
zeichnung eines werdenden neuen Standes, des Ritterstandes,
welcher der erbliche Kriegerstand des Mittelalters, der Stand »der
zu Schild und Helm Geborenen« ist. Unmittelbar zum Kriegs-
dienst sind nur die Fürsten, die Reichsstädte und die Reichsmini-
sterialen verpflichtet. Damit tritt das Kontingentssystem in
unser Heerwesen. Die Landsassen oder mittelbaren Unterthanen
dienen nur ihrem Landesherrn, welcher dem Reiche sein Kontin-
t v. Schulte, Deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte, $ 74. Ludwig Wei-
land, Die Reichsheerfahrt von Heinrich V. big auf Heinrich VL nach ihrer
staatsrechtlichen Seite, in den Forschungen B. VIL 8. 113 ff. Ficker, Ueber
die Entstehungsgeschichte der exped. Rcmana (in den Sitzungen der Wiener Aka-
demie XXIL. S. 173—270).