Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

9. Das Kriegswesen des Reiches. 241 
gent zu stellen hat. Wie er dies aufbringt, ging das lteich 
nichts an. Die Grösse der zu stellenden Kontingente hing von ler- 
kommen oder von besonderen Verträgen ab. Eine allgemeine Re- 
gulirung hat nicht stattgefunden. Die Kontingente der Fürsten 
wurden aus ihren Vasallen und Dienstmannen gebildet, deren Heer- 
pflicht auf ihren Gütern ruhte. Das Maass der Dienstpflicht richtete 
sich jetzt nach dem Grundbesitze, für 10 Hufen Lehengut mussten 
ein Schwergeharnischter und zwei Schildknappen, für 5 Hufen 
Ministerialgut ein Gehamischter und ein Schildknappe gestellt 
werden (sogenannte constitutio de expeditione Romana aus dem 
12. Jahrh.). Das Fussvolk für den Reichsdienst wurde hauptsäch- 
lich von den Reichsstädten gestellt. Nur ausnahmsweise, bei plötz- 
licher Landesgefahr, wurden die gewöhnlichen Landbewohner, die 
sogenannten Bauern, zur Landfolge aufgeboten, welche mit ihrer 
Waffenebre meist auch ihre Freiheit verloren hatten. Wie der Zu- 
sammenbruch der französischen Lehenskriegsverfassung sich in den 
grossen Kämpfen mit den Engländern vollzog, so kam den Deutschen 
die Erkenntnis der Unbrauchbarkeit derselben in den Kämpfen 
gegen die Hussiten, welche den schwerfälligen Panzerreitern zuerst 
wieder ein aus Fussvolk gebildetes Volksheer entgegenstellten. Die 
Ritterheere des Mittelalters verloren mit der Erfindung der Feuerwaffe 
an Brauchbarkeit, doch wurden die Vasallen noch bis ins 17. Jahr- 
hundert aufgeboten, zeigten sich aber immer unbrauchbarer. Der 
Kern der Kontingente bestand seit dem 15. und 16. Jahrhundert 
aus Landsknechten, welche für einzelne Feldzüge angeworben 
wurden. Neben den Schweizern spielten die deutschen Lands»- 
knechte die erste Rolle, welche, unter ihren Kriegsobristen, ge- 
wissermaassen eine »Soldatenrepublik« bildeten, mit ihrem eigenen 
Rechte, ihren eigenen Gebräuchen und ihrem besonderen Standesbe- 
wusstsein. Das Werbesystem wurde später auch auf die Reiterei 
ausgedehnt. Die ersten Versuche, das lleichskriegswesen neu zu 
ordnen, fallen in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts, die erste 
Reichsmatrikel wird in das Jahr 1422 gesetzt. Aber selbst trotz der 
drohenden Türkengefahr blieben die Versuche Kaiser Maximilians I., 
die Kriegeverfassung des Reiches auf festere Grundlagen zu stellen, 
erfolglos. Dagegen ist er durch seine berühmten Artikelbriefe 
von 1508 (bei Lünig, Corpus juris milit. N. Il. S. 3) der Schöpfer 
des neuen deutschen Militärrechts geworden, ihr Inhalt ist in alle 
späteren Militärgesetze und Disciplinarordnungen übergegangen. 
H.8ohulze, Deutsches Stsaterecht. II. 18
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.