244 UI. Von den Funktionen der Reichagewalt.
Fall sollte bestimmt werden, wie viel dieser Theile, welche den alten
Simplen entsprachen, mobil zu machen seien. Nach den Grund-
sätzen der Rheinbundsakte galt die sconscription militaire« als ein
nothwendiger Bestandtheil der Staatsgewalt, wie diese in Frank-
reich durch die »loi du 8 fructidor an VI« eingeführt worden war.
Dadurch drang ein Satz in das neue deutsche Staatsrecht ein, wel-
cher zu Reichszeiten keineswegs allgemein anerkannt war.
Nach den traurigen Erfahrungen so vieler Jahrhunderte war es
natürlich, dass man bei Gründung des deutschen Bundes vor allem
an die Herstellung einer einheitlichen und kräftigen Kriegsverfas-
sung dachte. Besonders in den verschiedenen preussischen Ent-
würfen steht das Postulat obenan: »Die Militärverfassung des Bun-
des muss stark und kräftig sein und schnelle Hülfe gewähren«. Aber
der Verwirklichung solcher Pläne standen auch jetzt der Sonder-
geist und die Souveränetätssucht der Fürsten, besonders der Mittel-
staaten, entgegen, welche auf ihr selbständiges Kriegsrecht nicht
verzichten und nicht ein Titelchen ihrer Militärhoheit der Gesammt-
heit opfern wollten. Die Bundesakte vom 10. Juni 1815 bezeichnet
in Artikel 10 die Ordnung der Militärverhältnisse als dritten Be-
rathungsgegenstand der Bundesversammlung. Diese unterzog sich
auch dieser Aufgabe und aus ihren Berathungen gingen vdie all-
gemeinen Grundrisse und wesentlichen Bestimmungen
der Bundeskriegsverfassung« vom 21. April 1821 hervor!
(G.v. Meyer B.IIS.124ff.). Die weitere Ausführung dieser Grund-
risse ist in den »Näheren Bestimmungen der Kriegsverfassung des
deutschen Bundes« enthalten, welche in 10 Abschnitten 97 Para-
graphen enthalten, von denen die fünf ersten Abschnitte durch Bun-
desbeschluss vom 12. April 1821, die fünf letzten durch Bundesbe-
schluss vom 11. Juli 1822 zu Stande gekommen sind. Durch Bun-
desbeschluss vom 4. Januar 1855 sind an die Stelle der fünf ersten
Abschnitte neue Bestimmungen getreten, sogenannte revidirte
Kriegsverfassung(G.v.MeyerB.11S.622f£). Die Kriegsmacht
des Bundes setzte sich aus den Kontingenten der Einzelstaaten zu-
sammen. Die Kontingente wurden nach der neuesten Matrikel vom
! Hier gelangte der Bondergeist, welcher die Selbständigkeit selbat der klein-
sten Kontingente erhalten wissen wollte, zum vollen Siege. heisst es in Arti-
kel 5: »Kein Bundesstaat, dessen Kontingent ein oder mehrere Armeekorps für
sich allein bildet, darf Kontingente anderer Bundesstaaten mit den scinigen
in eine Abtheilung vereinigen«. Artikel 8: »Nach der grundgesetzlichen Gleich-
heit der Rechte und Pflichten soll selbst der Schein der Suprematie eincs
Bundesstaates vermieden werden«.,