245 II. Von den Funktionen der Reichegewalt.
energischen fürstlichen Regiments die mannigfach gegliederte Hee-
resverfassung«e Schmoller.a.a.O.). Der Kurfürst fing an, die Offi-
ziersgrade, besonders Titel und Rang eines Obersten, unabhängig
von der Kapitulation über ein Regiment zu verleihen, doch gelang es
ihm noch nicht, die Ernennung aller Offiziere den Obersten zu ent-
winden. Erst unter König Friedrich Wilhelm I. wurde das unbe-
schränkte monarchische Ernennungsrecht durchgesetzt. Während
die früheren Kurfürsten im Frieden nur einige Haustruppen gehal-
ten hatten, bestand zuletzt das stehende Heer des grossen Kurfür-
sten aus 20000 Mann, worunter der fünfte Theil Reiterei war. Ein
Kriegsrecht erliess der grosse Kurfürst bereits 1655, wiederholt im
Jahre 1665 (Mylius III Nr. XXV und XXX), welches als die
Grundlage der späteren preussischen Kriegsrechtsgesetzgebung an-
zusehen ist. Die Artikelbriefe der Landsknechte, ein Vertrag zwi-
schen Obersten und Soldaten, wurden zum fürstlichen Kriegsrechte.
Bei diesen kriegsrechtlichen Gesetzen des grossen Kurfürsten wur-
den besonders die berühmten Kriegsartikel König Gustav Adolphs
von Schweden vom Jahre 1621 als Vorbild benutzt. König Fried-
rich Wilhelm I. war es, welcher Preussen zuerst die Signatur des
Militärstaates aufprägte. Bis auf ihn wurde die Rekrutirung der
Armee nur durch Werbung ım In- und Auslande besorgt. Dieser
König verwirklichte dagegen in seinem Kantonssystem den Ge-
danken der allgemeinen Wehrpflicht, soweit dieselbe damals durch-
führbar war. Nach seinem Kantonsreglement vom 15. September
1733 sollten die jungen Leute der Städte und des platten Landes,
der gutsherrlichen, wie der Amtsdörfer, mit einer Reihe sachge-
mässer Ausnahmen, sowie der Exemtion des Adels und des höheren
Bürgerstandes, dienstpflichtig sein. Das ganze Land wurde nach
Bezirken unter die einzelnen Regimenter und in diesen Bezirken
wieder die einzelnen zu diesem Zwecke bezeichneten Feuerstellen
unter die Hauptmannschaften vertheilt. Von nun an wurde etwa
die Hälfte. der jährlichen Rekruten aus den Kantons beschafft, die
Hälfte durch Werbung im Auslande. Die neuen Kriegsartikel vom
12. Juli 1713 gelten nur noch für Unteroffiziere und Gemeine, für
das Offizierkorps schreibt das Dienstreglement vor: »Der Offizier
soll gehorchen, es sei denn, dass ihm etwas wider die Ehre befoh-
len wird«e. Der Offizierstand wird zu einem besonderen Ehrenstand;
Nichtadlige sind unter Friedrich Wilhelm I. keineswegs von ihm
ausgeschlossen ; in der Hauptsache ergänzt er sich aus dem einhei-
mischen Landesadel. So schuf sich das Königthum aus dem einst so