9. Das Kriegswesen des Reiches. 2351
teriebataillone von 135 auf 255 erhöht und 18 neue Kavallerieregi-
menter errichtet werden; dagegen sollte die Landwehr aus dem in
erster Linie zu mobilisirenden Kriegsheer ausgeschieden werden, der
Unterschied zwischen Landwehr ersten und zweiten Aufgebotes hin-
wegfallen. Trotz des heiss entbrannten Konfliktes mit dem Abge-
ordnetenhause, welchem der Buchstabe der Verfassung, besonders
Artikel 99, unzweifelhaft zur Seite stand, wurde die Reorganisation
auf diesen Grundlagen durchgeführt und damit der preussischen
Regierung das gewaltige Werkzeug in die Hand gegeben, durch
welches sie 1866 die Lösung der deutschen Frage siegreich durch-
führen konnte. So war es möglich, die so bewährte preussische
Heeresverfassung unmittelbar auf den norddeutschen Bund, dann
auf ganz Deutschland zu übertragen. Hatte dieselbe ihre thatsäch-
liche Sanktion bereite auf den böhmischen Schlachtfeldern erhalten,
so fand sie ihre gesetzliche Bestätigung nicht mehr innerhalb der
preussischen, sondern erst 1867 innerhalb der norddeutschen Ge-
setzgebung.
$ 329.
6) Endliche Herstellung eines einheitlichen Heerwesens durch den norddent-
schen Bund und das deutsche Reich.
Kein Staat hatte so unablässig auf die Reform der Bundes-
kriegeverfassung hingearbeitet wie Preussen. Dieses Bestreben bil-
dete den vornehmsten Inhalt seiner Bundespolitik von 1830 bis
1866; »ihre Brennpunkte waren die Frage wegen des Oberbefehls
im Kriege und die wegen des Anschlusses der an sich ohnmächtigen
kleinstaatlichen Kontingente an grössere Heereskörper« (Jähne:.
Aber alle dahin zielenden Vorschläge blieben erfolglos, solange der
alte Bund bestand. Darum standen die Vorschläge für die Heeres-
reform in den preussischen Grundzügen einer neuen Bundesver-
fagsung vom 10. Juni 1886 obenan. Die ‚gesammte Landmacht des
Bundes sollte in zwei Bundesheere eingetheilt werden, die Nord-
und die Südarmee, über jene sollte der König von Preussen, über
diese der König von Bayern in Krieg und Frieden den Oberbefehl
führen. Die beiden Oberfeldherren sollten innerhalb der von ihnen
befehligten Armee für die Vollzähligkeit und Kriegstüchtigkeit ihrer
Kontingente Sorge tragen. Kommandos, unter welchen mehr als
ein Kontingent steht, sollte der Oberfeldherr besetzen. Auch sollte
dieser das Recht haben, in den nach seiner Ueberzeugung dringen-