254 II. Von den Funktionen der Reichsgewalt.
Futurum, ale einem erst mit Gründung des norddeutschen Bundes
ins Leben tretenden Zustande. Während bei der Marine das Einheits-
princip, ganz wie in einem Einheitsstaate, folgerichtig durchgeführt
werden konnte, machten sich beim Landheere die bei der Gründung
des norddeutschen Bundes vorhandenen Verhältnisse insoweit gel-
tend, als die bestehenden Heereskörper der Einzelstaaten als Kon-
tingente des Reichsheeres beibehalten wurden. Die schon seit dem
Mittelalter ($ 325) bestehende Kontingentaverfassung wurde auch in
den norddeutschen Bund und das neue deutsche Reich mit herüber-
genommen, aber sie erhielt jetzt eine ganz andere Bedeutung. Wäh-
rend früher das Reichs- oder Bundesheer nur seine Kollektivbe-
zeichnung verschiedener Kontingente der Einzelstaaten war«, kennt
das heutige Staatsrecht nur ein einheitliches Reichsheer, wel-
ches nur zu administrativen Zwecken in Kontingente geglie-
dert ist!. Diese Einheit tritt in allen Vorschriften der Reichaver-
fassung, besonders in dem einheitlichen Oberbefehl des Kaisers und
in der einheitlichen Reichsmilitärgesstzgebung hervor !.
5331.
Einheit des kaiserlichen Oberbefehls.
Die Militärhoheit lässt sich in verschiedenartige Befugnisse
zerlegen, welche unter verschiedene Subjekte vertheilt sein kön-
nen. Als oberstes entscheidendes Recht erscheint aber
der Oberbefehl über die Armee zu Kriegszeiten und
Kriegszwecken, da der Krieg die eigentliche Haupt-
aufgabe derselben ist. Wer diese Befugniss aus eige-
nem verfassungsmässigem Rechte ausübt, ist der Kriegs-
herr des Heeres. In diesem Sinne steht die Kriegsherrlichkeit
über das ganze deutsche Heer, auch über das bayerische Kontingent,
dem Kaiser zu. Darum war die dem deutschen Bundesrechte ent-
lehnte Bezeichnung eines »Bundesfeldherrn« völlig unzutref-
fend. Der »Bundesfeldherr« oder eigentliche »Bundesoberfeldherx«
des ehemaligen deutschen Bundes war ein Beamter des Bundes,
1 Seinen entgegengesetsten Standpunkt spricht Laband besonders in fol-
genden Sätsen aus (B. III. 8.6 u.7). »Als oberstes Princip der Militärverfas-
sung des deutschen Reiches ist der Batz festzuhalten : Bsgiebtkein Heerdes
Reicbes, sondern nur KontingentederE letaat »Es bleibt der
Grundsats bestehen, dass eine Reiohsarmee niobt existirt, sondern dasa diese nur
eine Kollektirbezeichnung it, um die Kontingente der einzelnen Bundesstaaten
susammenzufassen,