260 IL Von den Funktionen der Reichsgewalt.
Dieser nur den »Publikationsmodu s« betreffende Satz legt
aber den Kontingentsherrn keineswegs ein Militärverordnungs-
recht auf diesen Gebieten bei, auch kein bloss formelles, welches,
ohne Einfluss auf den materiellen Inhalt der Verordnungen, ausser-
dem ganz werthlos sein würde, sondern spricht überhaupt von ihnen
gar nicht, sondern nur von den Kommandeuren der Kontingente,
welchen die Verordnungen, durch das Medium des Ausschusses für
Landheer und Festungen, mitzutheilen sind. Denselben steht kein
Prüfungsrecht der so mitgetheilten Verordnungen zu, sondern sie
haben dieselben unbedingt zu befolgen. Wie sie dagegen diese
Verordnungen den ihnen unterstehenden Truppentheilen verkün-
digen wollen, ist ihnen oder vielmehr den betreffenden Einzelregie-
rungen überlassen. (So richtig G. Meyer in Hirth's Annalen 1880
S. 341 gegen Laband!. Dagegen ist nicht in Abrede zu stellen,
dass den Kontingentsherrn, neben diesem umfassenden kaiser-
lichen Verordnungsrechte, auch noch ein Verordnungsrecht auf den
wenigen Gebieten zusteht, wo ihnen die Reichsverfassung die Zu-
ständigkeit ausdrücklich zugestanden hat 'z. B. in Betreff der Be-
stimmung der Kokarden und Hoheitszeichen); jedenfalls erscheint
dieses kontingentsherrliche Verordnungsrecht als schr untergeord-
neter Natur. Nur in Betreff des bayerischen Kontingents steht in
Friedenszeiten dem Könige von Bayern allein das Verordnungsrecht
zu, wie auch Bayern die preussische Militärgesetzgebung nicht an-
genommen hat, indem der Bündnissvertrag Nr. I bestimmt: »Bayern
behält zunächst seine Militärgesetzgebung nebst den
dazu gehörigen Vollzugsinstruktionen, Verordnungen, Erläuterun-
gen, bis zur verfassungsmässigen Beschlussfassung über die der
Bundesgesetzgebung anheimfallenden Materien, resp. bis zur freien
Verständigung bezüglich der bereits vor dem Eintritt Bayerns in
den Bund in dieser Hinsicht erlassenen Gesetze und sonstigen Be-
stimmungene«, ‘Diese zwischen dem Reichsheer und dem bayerischen
Kontingent bestehende Verschiedenheit in der Gesetzgebung ist
aber dadurch mehr und mehr beseitigt worden, dass die wichtigsten
Angelegenheiten des Heerwesens durch neue Reichsgesetze geregelt
worden sind, welche auch für Bayern gelten. Dadurch ist die Ver-
heissung des Artikel 61 Absatz 2 wesentlich erfüllt worden: „Nach
gleichmässiger Durchführung der Kriegsorganisation des deutschen
Heeres wird ein umfassendes Reichsmilitärgesetz dem
Reichstage und dem Bundesrathe zur verfassungsmässigen Be-
schlussfassung vorgelegt werdens.. Da sich indessen die Noth-