Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

9. Das Kriegswesen des Reiches. 267 
gesetz $ 12. In dem Aushebungsbezirke, in welchem er sich zu stel- 
len hat, wird er auch zum Militärdienste herangezogen. Die Wehr- 
pflicht ist daher an die Reichsangehörigkeit und den Aufent- 
haltsort, nicht an die Staatsangehörigkeit geknüpft. 
b; Jeder Wehrpflichtige ist berechtigt, seine Dienstpflicht auch 
in dem Kontingent eines anderen Bundesstaates zu leisten, soge- 
nannte militärische Freizügigkeit. 
c) Der Kaiser ist nach der Verfassung berechtigt, über die von 
den Einzelstaaten gestellten Rekruten nur nach militärischem Be- 
dürfnisse zu verfügen, d.h. er kann die Rekruten des einen Staates 
auch in das Kontingent eines anderen Staates einstellen. 
Gegen die aus diesen Sätzen sich ergebenden Folgerungen hat 
man aber auf den Fahneneid hingewiesen, welcher allerdings von 
den eintretenden Wehrpflichtigen stets dem eigenen Landeshern 
geleistet wird. Die Formel des Fahneneides ist bis jetzt noch nicht 
einheitlich geregelt. Die Wehrpflichtigen schwören Treue dem 
eigenen Landesherrn, auch wenn sie in ein anderen Kontingent ein- 
treten. Der reichsgesetzliche Schwerpunkt des Fahneneides liegt 
aber in der in denselben aufzunehmenden Verpflichtung: rden Be- 
fehlen des Kaisers unbedingten Gehorsam zu leisten« (Ar- 
tikel 64 Absatz 1). Diese Verpflichtung geht allen anderen vor und 
ist im Konfliktsfalle die entscheidende. Die unbedingte Gehorsams- 
pflicht besteht natürlich nicht nur persönlich dem Kaiser, sondern 
auch allen denen gegenüber, die ihn in der militärischen Dienst- 
hierarchie im Befehle vertreten. Das Recht auf Entgegennahme des 
Fahneneides ist kein Ausfiuss der Kontingentsherrlichkeit, sondern 
der Landeshoheit. Auchdiejeni ierungen, die gar kein eigenes 
Kontingent mehr haben, empfangen denselben dennoch von ihren 
Landesangehörigen beim Eintritt in ein beliebiges Kontingent; sie 
erhalten ihn deshalb, weil sie es sind, welche dem Reiche die Mann- 
schaften zu stellen haben; sie nehmen ihn als bevollmächtigte 
Organe für das Reich entgegen. Der von ihnen formell ent- 
gegengenommene Fahneneid gilt materiell für das Reich, welches 
allein über die militärischen Leistungen der Truppen zu Kriegs- 
zwecken zu verfügen hat. Soweit die einzelnen Landesherrn unter- 
geordnete Verfügungsrechte über die Truppentheile haben, versteht 
sich von selbst, dass der von ihnen entgegengenommene Fahneneid 
auch die Truppen zu Treue und Gehorsam gegen sie verpflichtet, 
dnss die jedem Unterthanen obliegende Treue gegen den Landes- 
herrn durch den Fahneneid für den Soldaten sowohl eine religiöse 
 
	        
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