9. Das Kriegswesen des Reiches, 271
Die auf ihnen zustehende Hoheitsrechte verzichtenden Einzelstaaten
bedurften zum Abschlusse solcher Konventionen der Zustimmung
der betreffenden Landtage, da es sich um eine Schmälerung der
verfassungsmässigen Rechte der Einzelstaaten handelte; der König
von Preussen bedurfte dagegen nicht der Zustimmung des preussi-
schen Landtages, da durch diese Verträge weder preussische Ho-
heitsrechte aufgegeben, noch preussische Gesetze verändert, noch
dem preussischen Staate finanzielle Lasten auferlegt wurden (Mein
preuss. Staatsr. B. IIS. 825 ff... In allen diesen Verträgen tritt aber
der König von Preussen zugleich als Bundesfeldherr auf und ertheilt
als solcher den mit ihm kontrahirenden Einzelstaaten gewisse Ver-
sprechen. Sollte der Inhalt dieser Versprechen dahin gehen, irgend
eine reichsgesetzliche Bestimmung abzuändern, so wäre hierfür un-
zweifelhaft die Zustimmung des Bundesrathes und des Reichstages
erforderlich. Dies ist aber bei keiner dieser Art von Konventionen
der Fall. Die Versprechungen des Bundesfeldherrn bez. des Kaisers
bewegen sich innerhalb des Rahmens der Befugnisse des Oberbe-
fehle und der Militärverwaltung, die er nach freiem Ermessen
ausüben kann. Zu vertragsmässigen Beschränkungen seiner ihm
persönlich zustehenden Befugnisse bedarf der Kaiser der Zu-
stimmung von Bundesrath und Reichstag nicht. Allgemein in den
Militärkonventionen ist die Zusicherung, dass der Bundesfeldherr
bez. Kaiser von seinem ihm verfassungsmässig zustehenden Disloka-
tionsrechte in Bezug auf die Truppentheile des betreffenden Kon-
tingents nur vorübergehenden Gebrauch machen werde, und auch
dies nur, wenn politische und militärische Rücksichten es bedingen.
Ferner ist in den Konventionen mit solchen Einzelstaaten, welche
selbständige Truppenkörper bilden, eine bestimmte Formation
derselben zugesagt, während der Kaiser nach der Reichsverfassung
Artikel 63 Absatz 4 die Gliederung und Eintheilung der Kontin-
gente nach eigenem Ermessen zu bestimmen hat. Natürlich stehen
solche Verträge, wie alle Verträge der Einzelstaaten, unter der
Reichsgesetzgebung, und zwar nicht bloss der gegenwärtigen, son-
dern auch der zukünftigen; sie sind ohne weiteres hinfällig, soweit
sie mit bereits gegebenen oder erst später erlassenen Reichsgesetzen
in Widerspruch treten. Auch kann ein solches Versprechen den
Kaiser nicht binden, wenn dringende politische und militärische
Gründe ein Abgehen von demselben erheischen, denn die verfas-
sungsmässigen Befugnisse sind dem Bundesfeldherrn bez. Kaiser
gegeben, um die Reichsinteressen zu wahren, er würde daher pflicht-