Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

276 TI. Von den Funktionen des deutschen Reiches. 
schlossen (Wehrgesetz $6 Al.5) !. Diezur Reserve entlassenen Mann- 
schaften gehören zum stehenden Ileer und können jeder Zeit zur 
Ausfüllung der Kadres ihrer Regimenter einberufen werden, nicht 
bloss bei erfolgter Mobilmachung, sondern auch bei »sonstiger noth- 
wendiger Verstärkung des Heeres. Nach dem Reichsmilitärgesetze 
vom 2. Mai 1874 haben jedoch gewisse Formationen eine gesetzliche 
Feststellung erhalten, so die Eintheilung in Armeekorps, deren 
es 15 giebt; zwei'werden von Bayern, je eins von Württemberg und 
Sachsen, von Preussen mit den seiner Armeeverwaltung einverleib- 
ten Kontingenten und Elsass-Lothringen 14 gestellt. Alle Armee- 
korps, mit Ausnahme des preussischen Gardekorps, haben ihre 
Territorialbezirke. Das deutsche Reichsgebiet wird in militärischer 
Beziehung in 17 Armeekorpsbezirke eingetheilt, in welchen die 
kommandirenden Generale die Militärbefehlshaber sind. Gesetzlich 
festgestellt ist ferner die Zahl der Bataillone, Escadrons und Batte- 
rien. Die Infanterie zählt 503 Bataillone, die Kavallerie 465 
Schwadronen, die Feldartillerie 340 Batterien, die Fussartillerie 31, 
die Pioniere 19 und der Train 18 Bataillone. Nicht gesetzlich fest- 
gestellt, sondern nur im Allgemeinen vorgezeichnet sind die Unter- 
abtheilungen der Bataillone (die Kompagnien) und die Zwischen- 
glieder zwischen Bataillonen, Schwadronen und Batterien einerseite 
und den Armeekorps andererseits: Regimenter, Brigaden, Divisio- 
nen. Das Gesetz giebt ferner Zahl und Rang der zur Führung der 
betreffenden Truppentheile erforderlichen Offiziere an, doch wird 
dabei dem kaiserlichen Ermessen ein freierer Spielraum gelassen, 
indem die hierüber im Gesetz enthaltenen Bestimmungen nicht 
durchweg, sondern nur sin der Regel« zur Anwendung kommen. 
Von der Friedensformation wesentlich verschieden ist die 
1 So löst sich der scheinbare Widerspruch zwischen Artikel 60, welcher be- 
stimmt, dags die Friedenspräsenzstärke des Heeres im Wege der Reichs- 
gesetzgebung festgestellt werden soll, und Artikel 63 Absatz 4, welcher sagt, »der 
Kaiser bestimmt den Präsenzstand des Heerem. Wenn nach Artikel 60 die 
Friedenspräsengstärke gesetzlich festgestellt ist, ao bleibt dem Kaiser immer noch 
ein bedeutender Spielraum. Er kann den Präsenzstand weit unter die gesetzlich 
festgestellte Maximalzifler herabsetsen, cr kann denselben aber duroh Einbe- 
rufung weiterer Mannschaften zu Uebungen oder nothwendigen Verstärkungen 
vorübergehend erhöhen, ohne dass es deshalb su einer Mobilmachung zu 
kommen braucht. Wohl zu bemerken ist auch der verschiedene Sprachgebrauch 
in Artikel 60 und Artikel 63; wo es sich um die gesetzlich fixirte Anzahl handelt, 
spricht die Reichsverfassung von Friedenspräscenzstärke, wo es sich um 
vorübergehende Bestimmungen des kaiserlichen Kriegsherm handelt, von 
Präsensstand. Beide verschiedene Ausdrücke sind gewiss nicht ohne Absicht. 
gewählt.
	        
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