278 II. Von den Funktionen des deutschen Reiches.
Bennigsen-Ujest eine goldene Brücke des Ausgleiches. Dies Amen-
dement ist auch für das Verständniss des heutigen Rechtes noch maass-
gebend. Zu Artikel 58 (jetzt 62), welcher nach dem Forckenbeck'schen
Amendement die Zahlung der 225 Thaler für den Kopf nur bis zum
31. December 1871 feststellte, wurden nun folgende Worte hinzugefügt:
»Nach dem 31. December 1871 müssen diese Beiträge von den einzel-
nen Staaten des Bundes zur Bundeskasse fortgezahlt werden. Zur Be-
rechnung derselben wird die im Artikel 60 interimistisch festgestellte
Friedenspräsenzstärke solange festgehalten, bis sie durch ein Bundesgesetz
abgeändert ist. Die Verausgabung dieser Summe für das gesammte Bun-
desheer und dessen Einrichtungen wird durch das Etatsgesetz festgestellt.
Bei der Feststellung des Militärausgabeetats wird die auf Grundlage die-
ser Verfassung gesetzlich feststehende Organisation des Reichsheeres zu
Grunde gelegt«. Mit Annahme dieses Amendements glaubte die Regie-
rung die nothwendigen Kautelen gegen einen, nach Ablauf der Ueber-
gangszeit möglichen Militärkonflikt gewonnen zu haben. Es war die
Grundbedingung des eingegangenen Kompromisses. Auf Grund des Ar-
tikel 60 der Reichsverfassung erging sodann das Gesetz vom 8. December
1871, welches für die Jahre 1872, 1873 und 1874 an der Friedenspra-
senzstärke von 401,858 Mann festhielt. Das Reichamilitärgesetz vom 2. Mai
1874 enthält in $ 1 den Satz: »Die Friedenspräsenzstärke des Heeres an
Unteroffizieren und Mannschaften beträgt für die Zeit vom 1. Januar 1875
bis zum 31. December 1881 401,659 Mann. Die einjährigen Freiwilligen
kommen auf die Friedenspräsenzstärke nicht in Anrechnung.« Durch
Reichsgesetz vom 6. Mai 1880 ist die Friedenspräsenz vom 1. April 1881
bis zum 31. März 1888 auf 427,274 Mann festgestellt. Die gesetzliche
Feststellung der Friedenspräsenzstärke ist somit auf eine bestimmte Zeit be-
schränkt (sogenanntes Septennat). Es bleibt daher immer noch eine offene
Frage, wie es gehalten werden soll, wenn $ 1 des Militärgesetzes durch Ab-
lauf der Zeit seine Kraft verloren hat. Hier komnıt als Entscheidungsnorm
Artikel 60 Absatz 2 in Betracht: »Für die spätere Zeit wird die Friedens-
denspräsenzstärke des Hecres im Wege der Reichsgesetzgebung
festgestellte. Von den meisten Schriftstellern, insbesondere von Laband,
Seydel undZorn wird dieser Artikel so verstanden, dass hier »im Wege
der Gesetzgebung« nur den formellen Weg der Gesetzgebung bedeute, dass
also die Friedenspräsenz ebenso gut durch das Etatsgesetz, als durch eine
dauernde gesetzliche Norm festgestellt werden könne. Zuzugeben ist, dass
der Sprachgebrauch der Reichsverfassung gegen eine derartige Aus-
legung nicht ist, da »Gesetz« bald auf Gesetze im materiellen Sinne,
bald auf Gesetze im formellen Sinne bezogen wird. Unzweifelhaft ist
letzteres bei der Feststellung des Etats der Fall, welcber stets als Etats-
gesetz bezeichnet wird, wenn es sich dabei auch nur um ein Gesetz im
formellen Sinne handelt. Dennoch glaube ich an meinen früheren Ausfüh-
rungen festhalten zu müssen, dass hier sim Wege der Bundesgesetzgebung«
nichts anderes besagen kenn, als Feststellung des Etats durch ein wah-
res Gesetzim materiellen Sinne, im Gegensatz zur bloss jährlichen
budgetmässigen Feststellung, welche nur Gesetz im formellen
Sinne ist. Indem ich auf meine früheren Ausführungen verweise (rDas