Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

9, Das Kriegswesen des Reiches. 279 
Finanzrecht der Reichse- und Landtages in Grünhut's Zeitschr. für pri- 
vates und öffentliches Recht B. II 8. 208 ff.), hebe ich hervor, dass nur 
eine bleibende oder wenigstens auf eine längere Zeit berechnete Feststel- 
lung der Friedenspräsenz dem Geist und Wesen unserer Heeresverfassung 
entspricht. Als Anslegungsmittel kommen hier die Verhandlungen des 
preussischen Abgeordnetenhauses fast ebenso in Betracht, als die des 
Reichstages, da unsere heutige Militärgesetzgebung ganz unter dem Ein- 
flusse des preussischen Militärkonfliktes zu Stande gekommen ist, wel- 
cher erst in der Gesetzgebung des norddentschen Bnndes seinen Abschluss 
fand. Am klarsten sprach sich darflber ein Bericht der Kommission des 
Abgeordnetenhauses ans: ndass eine jährliche Votirung des Kon- 
tingentes, wie sie in anderen konstitutionellen Staaten üblich sei, vor- 
zuschlagen, bei dem gesetzlichen Institute der allgemeinen Wehrpflicht, 
welche als eine Grundlage unserer Inatitutionen beizubehalten sei, un- 
möglich erscheine, dass die Gesammtleistung der allgemeinen \Vehr- 
pflicht sich nur nach langen Zeiträumen durch das Wachsen und Fallen 
der Bevölkerung verändere und insofern das Aufstellen für längere Zeit 
allerdings zulässig und bei der Existenz der Verfassung geboten 
seie. \Stenogr. Bericht des A. H. 1863. Anl. Th. II S. 623 £.) Der 
von der Kommission vorgeschlagene $ 3 des Militärgesetzentwurfes lau- 
tete: »Die Stärke nnd Zusammensetzung des Heeres für den Friedenszu- 
stand soll durch ein Gesetz festgestellt werden. Auf Grund dieses Ge- 
setzes erfolgt die jährliche Veranschlagung der Ausgabe für das JHieers. 
In diesem Vorschlag, in welchem Gesetz nnd jährliche Feststellung durch 
den Etat aufs bestimmteste gegenüber gestellt werden, liegt der beste Kom- 
mentar für Artikel 60 Absatz 2, indem die Bnndesregierung den damaligen 
Standpunkt des Abgeordnetenhauses zn dem ihrigen gemacht und von nun 
an als den allein richtigen vertreten hat. Den korrektesten Ausdruck gab 
dieselbe ihrer Auffassung in dem Entwurfe des Reichsmilitärgesetzes, dessen 
$ 1 die Friedenspräsenzstärke vbis zum Erlasse einer anderweitigen gesetz- 
lichen Bestimmung: festsetzen wollte. Dieser Auffassung schloss eich der 
Abgeordnete von Bennigsen an, indem er anerkannte, rdass Artikel 60 
die Bundesregierungen zu der Forderung einer gesetzlichen nnd nicht 
bloss etatsımässigen Regelung der Friedenspräsenz berechtige«. Die Bun- 
desregierung drang mit ihrem Verlangen einer dauernden gesetzlichen 
Fixirung der Friedenspräsenzetärke nicht durch, sondern musste sich mit 
einer gesetzlichen Festetellung auf eine längere Zeitperiode begnügen, 
sodass nach Ablauf jedes Septennates die wichtigste Institution unserer 
Reichsverfassung wieder in Frage gestellt werden kann. (Vergleiche hier- 
über H.v.Treitschke, »Das Reichsmilitärgesetz«. Preuss. Jahrb. B. XXIII 
1874 S. 302-—-314, und G. Beseler, »Das Keichemilitärgesstz und das 
Budgetrecht. Preuss. Jahrb. B. XXIII 1874 S. 587—602 nebst den 
Reichstagsverhandlungen vom Frühjabr 1874 in den stenographischen 
Berichten.) Wir dürfen unser Auge daher der Möglichkeit nicht ver- 
schliessen, dass nach dem Ablaufe des Septennates eine Verständigung 
zwischen dem Kaiser als oberstem Kriegsherrn und den Faktoren der Ge- 
setzgebung nicht zu Stande kommt. Auch für diesen Fall fehlt es nicht 
ganz an gesetzlichen Normen, sowohl im Verhältnisse zum Bundesrathe,
	        
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