Vom deutschen Reiche überhaupt. 2
ihnen gezogene Kompetenzgrenze. Obgleich innerhalb des einheit-
lichen Reichsgebietes von Inland und Ausland nicht mehr die Rede
sein kann, so hat doch die einzelstaatliche Gebietshoheit ihre Be-
deutung nicht verloren; wie ja auch innerhalb eines einfachen Staa-
tes die Gemeinden und andere Körper der Selbstverwaltung gewisse
Bezirke obrigkeitlich beherrschen, ohne dass dadurch die Gebiets-
hoheit des Stantes in Frage gestellt wird.
Das Gebiet des heutigen deutschen Reiches ist durch Artikel 1
der Reichsverfassung in der Weise festgestellt, dass dasselbe aus
den Staatsgebieten seiner 25 Einzelstaaten besteht. Jazu sind die
durch das Reichsgesetz vom 9. Juni 1871 betr. »die Vereinigung
von Elsass und Lothringen mit dem deutschen Reiche« im Prälimi-
narfrieden vom 26. Februar 1871 von Frankreich abgetretenen Ge-
biete gekommen, welche einen Theil des Reichsgebietes ausmachen,
ohne dass daneben eine einzelstaatliche Gebietshoheit besteht. Diese
anomale Stellung der Reichslande wird in einem besonderen Ab-
"schnitte im Zusammenhange erörtert werden.
Das Gebiet des heutigen deutschen Reiches ist ex jure novo
festgestellt, ohne jede Rücksichtnahme auf den Gebietsumfang des
älteren deutschen Reiches und des deutschen Bundes. Was ältere
deutsche Reich war in Betreff seines Umfangs und seiner Grenzen
sehr unbestimmt [$ 27). Dasselbe erhob Ansprüche der weitgehend-
sten Art auf fremde Königreiche und Lande und streifte die Remi-
niscenzen des mittelaltrigen dominium mundi niemals ganz ab, war
aber daheim, innerhalb Deutschlands selbst, nicht einmal seiner
Gebietshoheit sicher. Die einzelnen Territorien sperrten sich so
engherzig von einander ab, dass die grundsätzliche Einheit des
Reichsgebietes praktisch fast nirgends zur Geltung kam. Der
deutsche Bund nahm bei seiner Errichtung auf die chemalige
Reichszugchörigkeit der Landestheile Rücksicht, liess sich aber da-
durch keineswegs allein bestimmen. Auch er stellte seinen Gebiets-
umfang aus eigenem Rechte neu fest. Derselbe bestand aus den
Gebieten der Einzelstaaten, die mit ihrem ganzen Staatsgebiete
beitraten. Bei anderen Staaten, wie bei Oesterreich und Preussen,
lagen besondere Erklärungen vor, welche ihrer Provinzen zum
Bundesgebiete gezählt werden sollten. Zwei auswärtige Monarchen,
die Könige von Dänemark und der Niederlande, besassen, als Bun-
desfürsten, deutsche Lande, der erstere das Grossherzogthum Luxem-
burg und das Herzogthum Limburg, der letztere die Herzogthümer
Lauenburg und Holstein. Uebrigens kannte der deutsche Bund, als