Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

22 Das Reichsstantarecht. 
völkerrechtlicher Verein souveräner Staaten, kein einheitliches 
Staatsgebiet, sondern bestand lediglich aus den (iebieten seiner 34 
Einzelstaaten. Als der deutsche Bund im Jahre 1866 rechtlich auf- 
gelöst war, hörte jeder Zusammenhang der einzelstaatlichen Gebicte 
von selbst auf. Der norddeutsche Bund konstituirte sein Staatsge- 
biet aus den Gebieten der 22 beitretenden Staaten, ganz unabhängig 
von dem Umfange des ehemaligen deutschen Bundes. Diesem 
gegenüber hatte der norddeutsche Bund Gewinn und Verlust zu 
verzeichnen. Sämmtliche österreichische Provinzen, die bis dahin 
zum deutschen Bunde gehört hatten, Luxemburg und Limburg, 
sowie das Fürstenthum Liechtenstein, blieben ausserhalb des Bun- 
des, ebenso die drei süddeutschen Staaten, Bayern, Württemberg 
und Baden. Hessen-Darmstadt trat nur mit seinen nördlich vom 
Main gelegenen Gebietstheilen bei. Dagegen wurden die prcussi- 
schen Provinzen Ost- und Westpreussen, sowie das Grussherzog- 
thum Posen, ebenso Schleswig neu aufgenommen. Dem neuen 
deutschen Reiche traten am 1. Januar 1871 bei Bayern, Württem-" 
berg und Baden mit ihrem ganzen Gebiete, das Grossherzogthum 
Hessen jetzt auch mit seinen südlich vom Main gelegenen Gebiets- 
theilen. Am 9. Juni 1871 wurde auch Elsass und ein Theil von 
Lothringen einverleibt. Damit hat das deutsche Reich seinen terri- 
torialen Abschluss erreicht. Alle Ansprüche auf verloren gegangene 
Gebietstheile des älteren Reiches, die sog. avulsa imperü, sowie auf 
ehemalige Bundeslande, liegen ihm fern. 
Während sich in den inneren Verhältnissen die Gebiets- 
hoheit des Reiches und der Einzelstaaten mannigfach durchkreuzt, 
beschränkt und ergänzt, erscheint das Reichsgebiet, dem Auslande 
gegenüber, als eine geschlossene Einheit. Der Reichsgewalt stehen 
in dieser Beziehung alle Rechte zu, welche nach dem Völkerrechte 
der Staatsgewalt eines souveränen Einheitsstnates gegenüber zu- 
kommen. Vor allem hat das Reich allein den militärischen Schutz 
gegen Angriffe von aussen in die Hand genommen. Jie geringste 
Verletzung eines einzelstaatlichen Gebietes durch eine auswärtige 
Macht ist Verletzung des Reichsgebietes, wofür das Reich völker- 
rechtliche Genugthuung zu fordern hat. Aber nicht bloss gegen 
Angriffe fremder Staaten, sondern auch gegen verbrecherische 
Unternehmungen Einzelner schützt die Reichsgewalt das Reichsge- 
biet. Nach Artikel 61 des Reichsstrafgesetzbuches wird als Hoch- 
verräther bestraft, »wer es unternimmt, das Bundesgebiet ganz oder 
theilweise einem fremden Staate einzuverleiben oder einen Theil
	        
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