Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

10. Die auswärtigen Angelegenheiten. 323 
eine völkerrechtliche Persönlichkeit mit allen Prärogativen einer 
solchen im europäischen Staatensysteme, Der Bund hatte ale Ge- 
sammtmacht das Recht, Krieg zu erklären, Frieden zu schliessen, 
Bündnisse und andere Staatsverträge einzugehen. Als Organ dieser 
Befugnisse galt die Bundesversammlung, deren Obliegenheiten in 
Betreff der auswärtigen Angelegenheiten in Artikel 50 der Wiener 
Schlussakte folgendermaassen bestimmt wurden: »1) Der Bundes- 
versammlung als Organ der Gesammtheit des Bundes, liegt ob, für 
die Aufrechterhaltung friedlicher und freundschaftlicher Verhält- 
nisse mit den auswärtigen Staaten Sorge zu tragen; 2) die von frem- 
den Mächten bei dem Bunde beglaubigten Gesandten anzunehmen, 
und wenn es nöthig befunden werden sollte, im Namen des Bundes 
Gesandte an fremde Mächte abzuordnen; 3) in eintretenden Fällen 
Unterhandlungen für die Gesammtheit des Bundes zu führen und 
Verträge für denselben abzuschliessen; 4) auf Verlangen einzelner 
Bundesregierungen, für dieselben die Verwendung bei fremden Re- 
gierungen, und in gleicher Art auf Verlangen fremder Staaten, die 
Dazwischenkunft des Bundes bei einzelnen Bundesgliedern eintreten 
zu lassen.« 
Der deutsche Bund hat bei ihm beglaubigte Gesandte empfan- 
gen, aber weder Gesandte noch Konsuln entsendet. Im Ganzen ist 
derselbe in Betreff auswärtiger Angelegenheiten nie über die Linie 
des älteren Reichsstaatsrechtes hinausgegangen. Auch ging der deut- 
sche Bund, wie das deutsche Reich, wesentlich an dem Mangel 
einer einheitlichen auswärtigen Politik zu Grunde. 
$ 359. 
Gescheiterte Reformversuche. 
Die traurigen Erfahrungen mehrerer Jahrhunderte hatten bei 
allen denkenden Patrioten die Ueberzeugung zur Reife gebracht, 
dass auf dem Gebiete der auswärtigen Angelegenheiten eine einheit- 
liche Leitung das dringendste Nationalbedürfnies sei, wenn das 
deutsche Volk die ihm entsprechende Machtstellung wiedererringen 
und auf die Dauer behaupten wolle. Die in dieser Richtung voll- 
berechtigten Bestrebungen des Jahres 1845 fanden in dem Entwurfe 
einer Reichsverfassung vom 28. März 1849 ihren entsprechenden 
Ausdruck im Abschnitt II Artikel 1: »Die Reichsgewalt ausschliess- 
lich übt dem Auslande gegenüber die völkerrechtliche Vertretung 
Deutschlands und der einzelnen deutschen Staaten aus. Die Reichs- 
21°
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.