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gewalt stellt die Reichsgesandten und die Konsuln an; sie führt den
diplomatischen Verkehr, schliesst die Bündnisse und Verträge mit
dem Auslande, namentlich auch die Handels- und Schiffahrtsver-
träge, sowie auch die Auslieferungsverträge ab; sie ordnet alle völ-
kerrechtlichen Maassregeln an. Die einzelnen deutschen Regierun-
gen haben nicht das Recht, ständige Gesandtschaften zu empfangen
oder solche zu halten. Auch dürfen dieselben keine besonderen
Konsuln halten. Die Konsuln fremder Staaten erhalten ihr Exe-
quatur von der Reichsgewalt. Die einzelnen deutschen Regierungen
sind befugt, Verträge mit anderen deutschen Staaten abzuschliessen.
Ihre Befugniss zu Verträgen mit nichtdeutschen Regierungen be-
schränkt sich auf Gegenstände des Privatrechts, des nachbarlichen
Verkehrs und der Polizei. Alle Verträge nicht rein privatrechtlichen
Inhalts, welche eine deutsche Regierung mit einer anderen deut-
schen oder nichtdeutschen abschliesst, sind der Reichsgewalt zur
Kenntnissnahme und, insofern das Reichsinteresse dabei betheiligt
ist, zur Bestätigung vorzulegen. Der Reichsgewalt ausschliesslich
steht das Recht des Krieges und Friedens zu.«
Organ der Reichsgewalt im völkerrechtlichen Verkehr ist derKai-
ser; er übt die völkerrechtliche Vertretung des deutschen Reiches
und der einzelnen deutschen Staaten aus; er stellt die Reichsge-
sandten und Konsuln an und führt den diplomatischen Verkehr; er
erklärt Krieg und schliesst Frieden, auch schliesst er Bündnisse
und Verträge mit auswärtigen Mächten ab und zwar unter Mitwir-
kung des Reichstages, soweit diese in der Verfassung vorbehalten
ist. Diese Grundsätze sind im Wesentlichen in den Verfassungsent-
wurf des deutschen Reiches vom 26. Mai 1849 (das sogenannte
Dreikönigsbündniss; übergegangen, nur mit einigen Milderungen
zu Gunsten der Einzelstaaten, doch vereinigt sich auch hier die ge-
sammte völkerrechtliche Vertretung im Reichsvorstande, d. h. in
der Krone Preussen. Von diesen Entwürfen trat nichts ins Leben.
Mit dem »reaktivirten« Bundestage kehrte der alte trostlose Zustand
der Uneinigkeit und Zerfahrenheit wieder zurück. Aber jene Ent-
würfe waren deshalb nicht verloren, sie zeichneten den Gründern
der norddeutschen Bundesverfassung den Weg vor, aufwelchem eine
einheitliche völkerrechtliche Vertretung der deutschen Nation zu er-
reichen und zu errichten sei. Gerade auf diesem Gebiete hat sich
die norddeutsche Bundesverfassung an die wohldurchdachten Ver-
fassungsentwürfe von 1849 aufs engste angeschlossen, wenn auch da-
bei das »fortiter in re, suaviter in modo, weislich beobachtet wurde.