10. Die auswärtigen Angelegenheiten. 325
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IL Allgemeine Grundsätze der heutigen Roelohsverfassung in Be-
treff der völkerrechtlichen Vertretung.
Auf zwei Gebieten der Staatsthätigkeit ist die einheitliche mo-
narchische Ordnung, die Vereinigung aller Befugnisse in Einer
Hand, vor allem Bedürfniss, auf dem Gebiete des Heerwesens und
der völkerrechtlichen Vertretung. Diesem Bedürfniss hat die gegen-
wärtige Reichsverfassung möglichst Rechnung getragen. Wie der
Kaiser oberster Kriegsherr des deutschen Reiches ist (B.II Titel IlI
$ 331 S. 264 ff.), so ist er auch dessen einziger völkerrecht-
licher Vertreter anderen Staaten gegenüber. Während
der Kaiser auf anderen Gebieten des Staatslebens die Reichsgewalt
mit dem zweiten Organe, dem Bundesrathe, theilt, steht er, auf dem
Gebiete der völkerrechtlichen Vertretung, ganz wie der konstitu-
tionelle Monarch in einem einfachen Staate da, welcher wohl für
einzelne Akte an die Zustimmung anderer Faktoren gebunden sein
kann, aber doch der einzig legitimirte Vertreter seines Staates an-
deren Staaten gegenüber im völkerrechtlichen Verkehre bleibt.
Dieser Grundsatz ist in Artikel 11 der Reichsverfassung ausgespro-
chen: »Der Kaiser hat das Reich völkerrechtlich zu ver-
treten, im Namen des Reiches Krieg zu erklären und Frieden zu
schliessen, Bündnisse und andere Verträge mit fremden Staaten
einzugehen, Gesandte zu beglaubigen und zu empfangen« Damit
ist der Kaiser zum einzigen ausschliesslichen Organ der völkerrecht-
lichen Vertretung des Reiches erklärt, ihm das sogenannte jus re-
praesentationisomnimodae beigelegt. Während in dem ersten Absatz
des Artikel 11 das allgemeine Princip aufgestellt ist, werden in den
beiden folgenden Sätzen Fälle aufgezählt, in welchen gewisse Akte
bei der Ausübung dieser völkerrechtlichen Vertretungsbefugniss an
die Mitwirkung und Zustimmung anderer Faktoren gebunden sind.
Dies sind keineswegs Ausnahmen von der Regel des ersten Absatzes:
die ausschliessliche völkerrechtliche Vertretungsbefugniss des Kai-
sers wird dadurch gar nicht berührt, sondern nur an die Zustimmung
von Bundesrath und Reichstag gebunden. Diese Faktoren werden
dadurch nicht zu Mitträgern der völkerrechtlichen Vertretungsbe-
fugniss des Reiches, sondern der Wille des Kaisers muss nur die
Zustimmung dieser Faktoren in sich aufnebmen, um sich als voll-
gültiger Reichswille darzustellen.